Kirchenbibliothek: Forschung kann beginnen Geheimnisse aus Barther Büchern

Von Sybille Marx

Unter dem Dach der Marienkirche ist sie seit Jahrhunderten untergebracht: die Kirchenbibliothek von Barth.

Foto: B. Rickelt

10.05.2015 · Barth. Vor zwei Jahren war sie wiedereröffnet worden: die biblioteka bardensis, die wohl älteste Kirchenbibliothek Deutschlands. 4000 Bücher aus sechs Jahrhunderten gehören zu ihrem Bestand. Gereinigt sind inzwischen alle, aber welches Wissen versteckt sich zwischen den Buchdeckeln?

Der Einband aus brüchigem Leder, die Seiten vergilbt – wenn Christian Heitzmann die Barther Handschrift „De missarum mysteriis“ lesen will, eine einst berühmte Papstschrift über die „Geheimnisse der Messe“, muss er kleine Polster unter die aufgeschlagenen Seiten schieben. Das Buch ist schließlich über 500 Jahre alt. „Man darf die Seiten nur zu 110 Grad aufblättern, sonst könnte etwas kaputt gehen“, erklärt der Handschriften- Experte aus Wolfenbüttel. Ein mühsames Unterfangen, und doch: „In so einem alten Buch zu stöbern, ist mir immer ein Vergnügen.“

„Es gab hochspannende Gespräche“

Nicht nur Heitzmann hat ein Faible für Bücher mit Geschichte. Rund 70 Forscher und andere Besucher saßen am Freitag (1. Mai) im Bibelzentrum Barth, um in Vorträgen und Debatten fünf erste Exemplare der „Biblioteka bardensis“ kennen zu lernen, der wohl ältesten Kirchenbibliothek Deutschlands. „Es war ein toller Austausch“, schwärmt Ulrike Volkhardt, Vorsitzende des Bibliothek-Vereins, „hochspannende Gespräche“ habe es gegeben, und viele Ideen zu neuen Forschungsthemen.

Genau wie erhofft. Denn die Bibliothek der Marienkirche in den Fokus von Forschern zu rücken, eben das hat die Musikprofessorin aus Essen zu ihrer Mission gemacht. Als sie vor Jahren auf die 1398 gegründete Büchersammlung stieß, war der Raum über der Sakristei feucht und vergessen, Schimmel hatte Tausende der alten Bücher hier befallen. Rund 330 000 Euro und drei Jahre brauchte der neu gegründete Förderverein, um die Bibliothek zu sanieren und im April 2013 wieder zu eröffnen: mit gereinigten Büchern.

4000 Bücher lagern in Barth

Aber welches Wissen schlummert nun in den Regalen? „Die Beschäftigung mit den Inhalten fängt jetzt erst so richtig an“, sagt Ulrike Volkhardt. Genug Material zum Forschen gibt es, soviel steht fest: Rund 4000 Bücher lagern in Barth, darunter Pastoraltheologie, Pommersche Geschichte, Naturkunde, Altes Testament, Medizin, Technik... Die ersten stammen vom Barther Pfarrer Hoet, der sie 1398 seiner Kirche vermachte, über 100 kamen später allein vom Barther Reformator Johannes Block dazu.

„De missarum mysteriis“, das Werk, das Heitzmann jetzt bei den „Barther Bibliotheksgesprächen“ vorstellte, ist eine von gerade mal neun Handschriften im Bestand. Mitte des 15. Jahrhunderts war sie auf Latein niedergeschrieben worden, ihr Inhalt ist noch 300 Jahre älter. Innocent III., ein höchst einflussreicher Papst in der Geschichte des Christentums, erklärt darin den Ablauf einer Messfeier, bis auf die Geste genau. Ein Bestseller im Mittelalter, erzählt Heitzmann. „Heute bietet es eine spannende historische Perspektive auf das Abendmahl.“ Denn der Papst schreibe darin auch jene Lehre fest, derzufolge sich die Mess-Oblate in Christi Fleisch verwandelt, der Wein in Blut. „Später wurde diese Lehre zu einem der großen Streitpunkte zwischen der Kirche und den Reformatoren“, sagt Heitzmann. Sich solche Zusammenhänge neu klar zu machen – auch dazu bietet die Bibliothek Anlass.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 19/2015