Friedensandacht Gedenken an Judenpogrom vor 525 Jahren in Sternberg

Interreligiöse Friedensandacht im Sternberger Rathaussaal

Fotos: Christian Meyer

29.10.2017 · Sternberg. In Sternberg ist am Sonntag an das Pogrom an den Sternberger Juden vor 525 Jahren und die anschließende Vertreibung der Mecklenburger Juden erinnert worden. Rund 120 Menschen, darunter Landesrabbiner William Wolf, Rektor Wolfgang Scharreck (Universität Rostock) und Landtagsabgeordneter Thomas Schwarz nahmen an einer Friedensandacht im Rathaussaal teil.  Im Anschluss wurde in der Stadtkirche zum Gedenkort der "Heilig-Blut-Kapelle" und zu einem Ausstellungsprojekt informiert.

Der Schweriner Bischof Dr. Andreas von Maltzahn rief während der interreligiösen Friedensandacht dazu auf, für Religionsfreiheit einzutreten und gegen eine militante Feindschaft gegen anders glaubende Menschen. Wo immer Juden heute "mit Worten oder Taten" angegriffen werden, sei dies "ein Angriff auf uns alle". Gott wolle ein Leben im Geist der Friedfertigkeit und Nächstenliebe.

Während der Andacht waren sechs Kerzen für den Frieden und im Gedenken an die ermordeten Juden in Sternberg entzündet worden. Bischof von Maltzahn sagte, es erfülle ihn mit Scham, dass auch in Mecklenburg Juden verfolgt und ermordet wurden. Scham erfülle ihn insbesondere, weil dies unter vorgeblich christlichem Vorzeichen geschehen sei. Auch der später wirkende Martin Luther sei in judenfeindlichen Denkmustern gefangen gewesen, deren Wurzeln bis in die Anfänge der Kirche zurückreichten.

Bittere Scham erfülle ihn angesichts der Shoa, des nationalsozialistischen Völkermordes an sechs Millionen Juden aus ganz Europa, sagte der Bischof. Und es sei zum Schämen, dass sich antisemitische Gedanken "in unserer Gesellschaft wieder und weiter verbreiten".

Ausstellungsprojekt, Konzert und Empfang

Zu der interreligiösen Friedensandacht hatten der jüdische Rabbiner Yuriy Kadnykov (Schwerin), Bischof Andreas von Maltzahn, die evangelische und die katholische Kirchengemeinde sowie die Stadt eingeladen. Anschließend wurde in der Stadtkirche St. Maria und St. Nikolaus zum Gedenkort der "Heilig-Blut-Kapelle" und zu einem Ausstellungsprojekt informiert. Es folgten ein Konzert des Chores "Masl-Tow" der Jüdischen Gemeinde Schwerin und ein Empfang.

Am 24. Oktober 1492 ließen Mecklenburgs Herzöge in Sternberg 25 jüdische Männer und zwei jüdische Frauen auf dem Scheiterhaufen bei lebendigem Leib verbrennen. Grund dafür war eine angebliche Schändung von zwei geweihten Abendmahlsoblaten (Hostien), aus denen Blut ausgetreten sein soll. Als Folge dieser "Hostien-Schändung" wurden alle Juden aus Mecklenburg vertrieben, nachdem man sie enteignet hatte.

Sternberg entwickelte sich ab 1492 zu einem beliebten Wallfahrtsort, um die als wundertätig gepriesenen Hostien zu verehren. Im Herbst 1496 wurde die "Heilig-Blut-Kapelle" der Stadtkirche eingeweiht. Diese Kapelle blieb seit der Reformation ungenutzt und wurde erst 1895 zur Taufkapelle umgestaltet. Dort steht auch die Tischplatte, auf der die Hostien angeblich geschändet wurden.

Quelle: epd/kmv