Christen danken für die Wiedervereinigung Gebete im Todesstreifen

Von Sybille Marx

Über 80 Christen aus Frei- und Landeskirchen sind am 3. Oktober von zwei Punkten aus aufgebrochen, immer neue kommen bis zum 9. November dazu. Auf www-3-oktober.de berichten sie von ihrer Tour.

Foto: C. Winter

02.11.2014 · Greifswald. Vom 3. Oktober bis zum 9. November wandern Christen entlang der ehemals deutsch-deutschen Grenze – und beten für das Land.

Als am 9. November 1989 die Mauer eingerannt wurde, war Silvia Joehring-Langert 25, die DDR nur ein weißer Fleck auf ihrer Urlaubskarte und die Grenzöffnung für sie nicht viel mehr als eine Nachricht im Fernsehen. „Erst viel später habe ich begriffen, was da eigentlich passiert ist“, sagt die Diakonin aus Westfalen. „Und jetzt nochmal neu.“

Mit fast 90 weiteren Christen aus Frei- und Landeskirchen ist Silvia Joehring-Langert am 3. Oktober zu einer Gebets-Wanderung aufgebrochen: entlang der ehemals deutschdeutschen Grenze. 80 der Teilnehmer starteten im Süden in Posseck, sieben liefen wie sie im Norden in Lübeck Schlutup los, fast täglich kommen neue hinzu, verlassen andere wieder den Weg. Am 9. November wollen beide Gruppen Braunlage in der Mitte erreichen und einen großen Gottesdienst feiern.

Was sie alle verbindet, 25 Jahre nach dem Mauerfall, ist ein fast mönchischer Ansatz: Unterwegs im ehemaligen Todesstreifen beten sie für Deutschland, für Einheit, Erneuerung, Heilung und Hoffnung. „Es gibt noch viele Bereiche unseres Lebens und unserer Gesellschaft, für die wir auf Gottes Eingreifen hoffen und beten dürfen“, schreiben die Organisatoren auf ihrer Internetseite. Silvia Joehring- Langert ist sicher: „Diese Gebetswanderung hinterlässt eine Segensspur in der unsichtbaren Welt.“

Als Chefin des Vereins „Beten. Danken.Feiern“ und Mitglied der Projektgruppe „3. Oktober“ hat sie den Grenzgang mitorganisiert und für eine Woche selbst die Wanderschuhe angezogen. „Es war eine segensreiche Zeit“, sagt die Diakonin.

Aber nicht nur die vielen Gebete, auch die Gespräche mit Zeitzeugen in Kirchengemeinden und die aufwühlenden Besuche von Gedenkstätten und Mahnmalen behält sie in Erinnerung. Darunter etwa am Schaalsee. „Ein großes Stück des Grenzzauns stand dort noch, darauf zwei Bilder eines jungen Mannes“, schildert Silvia Joehring- Langert. Dieser 28-Jährige habe versucht, sich unter dem Zaun in die BRD hindurch zu graben. Eine Selbstschussanlage tötete ihn. „An dieser Stelle sind wir lange im Gebet geblieben, haben für das Opfer, die Täter und die Angehörigen gebetet“, erzählt sie.

Auch einen kleinen Einblick in den ostdeutschen Alltag eines Christenmenschen bekamen sie und andere Westdeutsche auf der Tour. Eine Wanderin aus Annaberg in Sachsen habe etwa davon berichtet, dass früher schon als Staatsfeind gelten konnte, wer zur Konfirmation ging und die Jugendweihe ablehnte. Für Silvia Joehring-Langert ist an solchen Beispielen auch klar geworden: „Viele große und kleine Entscheidungen wurden den Christen in der DDR abverlangt. Das ist eine Situation, die mir noch im Nachhinein Respekt abverlangt.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 44/2014