Laut einer Studie besucht nur ein Drittel der Bevölkerung regelmäßig Grabstellen Friedhöfe als Orte für Lebende

Von Marion Wulf-Nixdorf

Professor Thomas Klie (r.) mit Reinhard Wienecke (l.) von der Kirchenkreisverwaltung Mecklenburg und dem Vereinsvorsitzenden Jürgen Hansen auf dem Friedhof in Kirch Stück.

Foto: Marion Wulf-Nixdorf

06.09.2020 · Kirch Stück. Sterben müssen alle. Aber wo wollen Menschen begraben werden? Die Rasenflächen auf Friedhöfen werden immer größer. Was machen wir in den Kirchengemeinden mit unseren Ruhestätten? Das untersucht eine Studie im Auftrag der Nordkirche. In Kirch Stück werden verschiedene Ideen umgesetzt.

Immer häufiger sind am Ostseestrand angespülte Rosen zu finden. Sie sind vermutlich bei einer Seebestattung einer Urne von Angehörigen hinterhergeworfen worden. Eine Frau zerpflückt Rosen und nimmt die Blütenblätter mit in den Friedwald, streut sie an dem Baum aus, an dem die Urne ihres Mannes beigesetzt ist.

Auf den meisten Dorffriedhöfen sieht man gepflegte Gräber, frisch angepflanzte Blumen, oft auch kunstvoll geharkte Wege. Manchmal sieht es aus wie ein Wettbewerb: Wer hat das schönste Grab? Aber ab und zu ist auch ein ungepflegtes Grab dazwischen oder eins, das zwar sauber, aber nicht besonders liebevoll angelegt ist. Das Grab ist in Pflege gegeben. Da leben die Kinder weit entfernt. Oder es gibt keine Verwandten. Die Gründe sind vielfältig. „Das hat Heiner nicht verdient“, wird dann schnell hinter vorgehaltener Hand im Ort getuschelt.

Was passiert mit unseren Friedhöfen? Die demografische Entwicklung macht auch vor diesen besonderen Orten nicht halt. So wie immer weniger Menschen Gottesdienste besuchen, so brauchen immer weniger Menschen den Friedhof, habe eine Studie der Aeternitas, der Verbraucherinitiative Bestattungskultur, ergeben, sagte der Rostocker Praktische Theologe Thomas Klie bei der Mitgliederversammlung des Fördervereins der Kirche zu Kirch Stück. 21 Prozent der Befragten gingen nie auf einen Friedhof, 26 Prozent seltener als ein Mal im Jahr, 12 Prozent ein Mal im Jahr. Das heißt: Zwei Drittel der Bevölkerung gehen kaum oder sehr selten auf einen Friedhof. Brauchen sie ihn also nicht?

Zwölf „Referenzfriedhöfe“ sind in den vergangenen zwei Jahren im Auftrag der Nordkirche in Zusammenarbeit mit der Universität Rostock von Klie und Mitarbeitern, darunter Reinhard Wienecke, genauer in Augenschein genommen worden. Klie beschäftigt sich seit 30 Jahren nach eigenen Aussagen mit dem Thema, Wienecke ist seit Jahren Friedhofsbeauftragter im Kirchenkreis Mecklenburg, und beide entwickelten bei einem Gespräch die Idee zu dieser Studie, wie Wienecke erzählt. Es geht in der Studie „Friedhof & Leben“, die Mitte November der Öffentlichkeit vorgestellt werden wird, um eine Bestandsaufnahme und um die Frage, wie man Friedhöfe weiterentwickeln kann, aus ihnen Orte nicht nur für Tote, sondern auch für Lebende machen kann.

Braucht Trauer einen Friedhof?

Die Kirchengemeinden, die Friedhöfe in ihrer Trägerschaft haben, seien oft finanziell längst überfordert mit dem Erhalt, viele wüssten es nur noch nicht, so Klie. Immer weniger Menschen werden auf Friedhöfen beerdigt. Gefragte Alternativen seien Friedwälder und Seebestattungen. Er sprach auch von einer hohen Anzahl von Urnen, die rechtswidrig zu Hause aufbewahrt würden.

Allerdings zeigten Seebestattungen inzwischen, dass Angehörige doch einen Ort für ihre Trauer brauchten – oder warum ist die Mole in Warnemünde mit Bildern der Erinnerung bemalt? Und Bestattungen im Wald und der Besuch des Baums seien für ältere Angehörige mit Rollator oder Rollstuhl schwer zu erreichen, stellt sich nun heraus.

Die Kirchengemeinden als Träger müssten sich dringend fragen, wie ihr Friedhof in 20 Jahren aussehen solle. Welche Grabarten sollen vorgehalten werden? In Dreveskirchen zum Beispiel gebe es das erste Baumgrab auf einem Mecklenburger Friedhof, so Klie. Auf vielen Friedhöfen gebe es verfallende Mausoleen – warum solle man sie nicht zu Kolumbarien umbauen, wie gerade in Kirch Stück geschehen (Kirchenzeitung berichtete)? Für Erdbestattungen ist hier auch ein Platz mit einem Grabkreuz (siehe Foto) ausgewiesen, der mit Rasen bedeckt wird und damit die Pflege leicht macht, während eine Namensplakette an den Verstorbenen erinnert.

Das Interesse an Friedhöfen ist mancherorts größer als gedacht: Bei einem „Tag des offenen Friedhofs“ in Dreveskirchen waren vom Gemeindepastor etwa zehn Menschen erwartet worden – etwa 80 sind gekommen.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 35/2020