Sehnsucht nach Gebet und Segen Flüchtlingspastor Walter Bartels über die Arbeit in den Aufnahmestellen Horst und Stern-Buchholz

Von Tilman Baier

Flüchtlingspastor Walter Bartels

Foto: kirche-mv.de/D. Vogel

22.11.2015 · Güstrow. Die Bedrohung durch den IS-Terrorismus rückt näher: Ankara, über 100 Opfer im Oktober, Paris, fast 150 Tote, am Dienstag das abgesagte Fußballländerspiel in Hannover wegen massiver Sicherheitsbedenken. Trotzdem, oder gerade deshalb, mahnen immer wieder Politiker und Kirchenführer, die bei uns ankommenden Flüchtlinge nicht unter Generalverdacht zu stellen: Das, was uns nun Angst macht, haben sie jeden Tag in Aleppo, Damaskus oder Mossul durchleiden müssen.

Das war auch der Tenor auf der Synode des Kirchenkreises Mecklenburg, die am 13. und 14. Oktober im Gemeindezentrum des Güstrower Doms tagte. Neben einer Gedenkminute für die Opfer der Anschläge von Paris war es vor allem der Bericht des mecklenburgischen Flüchtlingspastors Walter Bartels, der die Synodalen mitnahm in seinen Alltag in den Erstaufnahmestellen Horst bei Boizenburg und Stern- Buchholz bei Schwerin.

Trotz des „Krisenmodus“ im Innenministerium von MV, trotz mancher Leitungskonfusion und dem Stress der Helfer sei die Hilfsbereitschaft im Land immer noch erstaunlich hoch, so Bartels. Diese öffentliche Erfahrung, dass das Schicksal von Fremden nicht unberührt lässt und zum Mitmachen anregt, sei großes Geschenk für diese Gesellschaft und ein wichtiges Signal in die Politik hinein, meinte er. Bartels verwies darauf, wie wichtig es sei, diesen Helfern auch immer wieder Dank zu sagen. Aktionen wie das geplante Benefizkonzert für „Rostock hilft “ seien dafür eine gute Möglichkeit.

Seine Arbeit, so der Flüchtlingspastor weiter, habe sich seit dem Sommer stark verändert – schon durch „die schiere Zahl“ der Flüchtlinge. Die Verweilzeiten der Ankommenden seien extrem verkürzt worden. Zudem diene seit August in Horst der christliche Andachtsraum, ebenso wie der muslimische Gebetsraum, aus Platzmangel als Unterkunft.

Statt einer echten Kontaktaufnahme bestehe seine pastorale Arbeit vor allem darin, wenigstens punktuelle Begegnungen zu ermöglichen. „Darum trage ich auch dort wieder Collarhemd“, erzählte Bartels. Damit sei seine Rollenidentität als Seelsorger klar erkennbar. Zudem, so habe er gelernt, braucht Seelsorge mit Menschen aus dem arabischen oder schwarzafrikanischen Kulturkreis nicht unbedingt die bei uns übliche Intimität: Wenn ein Flüchtling das Gespräch suche, kämen oft selbstverständlich Familienangehörige dazu. Bei den Gesprächen gehe es weniger um die erlebten Schrecken der Flucht, erzählte Walter Bartels den Synodalen, sondern fast immer um die Ankunft in Deutschland, die ersten Eindrücke hier und besonders um die Frage, was die Zukunft bringt.

In Stern-Buchholz gebe es, anders als in Horst, noch einen christlichen und einen muslimischen Gebetsraum, beide auf demselben Flur. Trotzdem habe er noch keine religiösen Spannungen bemerkt. Die Situation dort sei entspannter, er werde dort oft um Auskunft gebeten über dieses Land, über Kirchengemeinden und Gottesdienste.

Hilfreich dort sei ein dreisprachiges Neues Testament vom Gideon-Bund. „Wenn sich jemand als Christ zu erkennen gibt, frage ich nach seinem Lieblingstext. Und es fällt mir auf, wie unmittelbar diese Christen biblische Sprüche auf sich beziehen.“ Viele wollten mit dem Pastor zusammen ein Gebet sprechen oder gesegnet werden. Deutlich wird dabei: Für viele Flüchtlinge sei Deutschland ein durch und durch christliches Land, entsprechend hoch seien die Erwartungen. Walter Bartels hat da so seine Bedenken. Aber: „Ich halte mich zurück, dies zu korrigieren“.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 47/2015