Ex-NPD-Funktionär Stefan Rochow sprach auf der Pommerschen Kirchenkreissynode "Wir müssen den Rechtsextremen offen gegenübertreten!“

Von Sebastian Kühl

Stefan Rochow

© kirche-mv.de/D. Vogel

22.03.2014 · Greifswald. Die Synode des Pommerschen Evangelischen Kirchenkreises tagt im Maritimen Jugenddorf Wieck in Greifswald. Schwerpunkthemen sind Extremismus und Fremdenfeindlichkeit. Zum Auftakt der sechsten Tagung des Kirchenparlaments sprach Stefan Rochow zu den Synodalen. Rochow war als Jugendlicher aktives Mitglied der Rechten Szene in Greifswald und machte später Karriere in der NPD, aus der er im Jahr 2008 austrat. Er konvertierte zur katholischen Kirche und ist heute als Dozent, freier Autor und Journalist tätig. Über seinen Ausstieg aus dem Neonazi-Milieu hat er ein Buch geschrieben. Rochow ist auch für die Initiative Endstation Rechts tätig, die sich dem Kampf gegen Rechtsextremismus widmet. Derzeit studiert Stefan Rochow katholische Theologie.

„Ich war ein Täter!“

„Ich war nie Opfer, ich bin da nicht irgendwie reingeraten“, stellte Rochow zu Beginn seines Vortrags klar. „Ich war jemand, der das, was er sagte, auch so meinte. Ich war Täter.“ Obwohl er heute so offen darüber rede, falle es ihm nicht leicht, über seine Vergangenheit zu sprechen, so Rochow, der aus einem christlichen Elternhaus stammt. Als Zwölfjähriger zur Wendezeit habe er jedoch seine geistige Heimat in der Kirche verloren. „Die Stasiverstrickungen in der Kirche haben mich schockiert, so wurde mir die Kirche fremd und ich ließ mich von der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO), einem rechtsextremen Vertriebenenverband ansprechen.“ Mit dem JLO fuhr er zum Pfingstlager in die Masuren. „Dort erlebte ich zum ersten Mal rechte Gemeinschaft.“ Über die Burschenschaft Rugia kam er später zur NPD, wo er rasch aufstieg.

Extremismus in der Mitte der Gesellschaft

„Ich habe mich damals immer mehr radikalisiert und hatte ein vollkommen verzerrtes Demokratieverständnis. Unter Demokratie verstand ich einen starken Staat, der Problemlöser für alles ist“, so Rochow. Er habe wie seine damaligen „Kameraden“ stets Freiheit gefordert, doch sei das nur eine typische Floskel der Rechten. „Für Rechte geht es bei Freiheit nicht darum, Entscheidungen zu treffen oder um die Freiheit, etwas nicht zu machen.“ Sondern für Rechtsextremisten gehe es bei Freiheit immer um Befreiung von etwas: Von vermeintlicher Fremdherrschaft oder von Einwanderern. „Die Welt der Rechten ist schwarz und weiß.“ Zudem habe er die Erfahrung gemacht, dass Rechtsextremismus vielfach auch in der Mitte der Gesellschaft zu finden ist. „In geschützten Räumen, wie bei den Burschenschaften, wird oft gesagt, was auch die NPD sagt, auch von Akademikern“, hat Stefan Rochow erlebt.

Der christliche Glaube führte zum Ausstieg

Den Weg in den Ausstieg haben für Stefan Rochow die Bücher von Papst Benedikt XVI. geebnet. Durch die Lektüre habe er das Christentum wiederentdeckt. „Am Ende eines mehrere Jahre dauernden persönlichen Wandels habe ich mich gefragt: Was machst du da eigentlich“, berichtete Rochow. Im Jahr 2008 kam es dann zum Bruch mit der NPD und der Rechten Szene. „Der Propst einer katholischen Gemeinde hat mich damals begleitet. Es hat mir ungemein geholfen, dass da jemand war. Die Gesellschaft wollte aufgrund meiner Vergangenheit nichts mit mir zu tun haben, doch die Kirche glaubte mir und gab mir eine Chance.“ Aus dieser Erfahrung formulierte Stefan Rochow seinen Appell an die Synodalen: „Es geht darum, den Menschen als Menschen anzunehmen und nicht zu pauschalisieren!“ Eine wichtige Aufgabe der Kirche sehe er darin, mit den Rechten ins Gespräch zu kommen, auch wenn es schwer falle. „Ich glaube, es gibt gar keine andere Chance, als mit diesen Leuten zu reden.“

„Kirche muss glaubwürdig sein“

„Wenn man bei einem Teenager, der mit dem rechten Rand sympathisiert, den Dialog einschlafen lässt, dann haben ihn die Anderen“, warnte Rochow. Man dürfe diese Menschen nicht abschreiben, den Dialog verweigern und damit den einfachen Weg wählen. Bei den Rechten werde die fehlende Gesprächsbereitschaft der Demokraten als Mangel an Argumenten interpretiert, so Rochow. „Dabei ist doch das demokratische System, das wir haben, tausendmal besser, als das, was die Rechten anbieten. Das können wir ruhig sagen und müssen uns damit nicht verstecken, sondern können den Rechtsextremen offen gegenübertreten!“ Zur Aufgabe der Kirche im Kampf gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit sagte Rochow: „Die Kirche muss glaubwürdig sein. Sie sollte sich immer wieder neu auf den Weg machen und akzeptieren, dass man immer wieder Fehler macht und das den Menschen gegenüber auch so sagen.“

Quelle: PEK