Eine Tour auf den Spuren des Missionars Otto von Bamberg durch Vorpommern Mit Otto in den Urlaub

Von Christine Senkbeil

Eine Figur des Missionars in Demmin. Auch hier hat Otto Spuren hinterlassen.

Foto: R. Neumann

20.07.2014 · Greifswald. 1128 brach Otto von Bamberg nach Vorpommern auf. Ohne sein Schwert zu gebrauchen, missionierte er die ansässigen Heiden. Mit dem Historiker Fred Ruchhöft begeben wir uns auf Spurensuche. Eine Sommerreise mit Otto.

Ein Tross mit unzähligen Pferden und Wagen rumpelt über unbefestigte Wege, von Havelberg kommend in Richtung Demmin. In prächtigem Schmucke: Bischof Otto von Bamberg. Im Gepäck: sein christlicher Glaube – und der Entschluss, die bisher unbezähmbare Meute der heidnischen Pommern zu missionieren. Und zwar ohne das Schwert.

Diese Geschichte beginnt vor fast 900 Jahren – und es ist Sommer. Dr. Fred Ruchhöft von der Uni Greifswald war dabei. Zumindest erweckt es den Eindruck, wenn der Historiker von diesem lang erforschten Zeitabschnitt erzählt. Ende Juni veranstaltete er mit Kollegen eine Fachtagung zu Otto aus Anlass des 875. Todestages. Die dazugehörige Exkursion an die Wirkungsstätten des Missionars möchte er jedoch jedem ans Herz legen.

Also los! „Ein guter Startpunkt für eine Rundtour wäre Demmin“, schlägt Fred Ruchhöft vor. In der St. Bartholomaei- Kirche stimmt eine Ausstellung auf das Wirken Ottos ein. Am Ortsausgang in Richtung Stavenhagen (Ende Husa-Schulz-Weg) dann die ersten historischen Belege, sichtbar für alle, die über detektivische Fähigkeiten verfügen. Hier ist Ottos Ankunftspunkt seiner zweiten Missionsreise. Der Burgwall lässt sich noch erahnen und erlaufen, die Herzogsburg allerdings muss die Phantasie in die wunderschöne Flusslandschaft stellen. Nicht einmal ein Schildchen erinnert an die kulturgeschichtliche Bedeutung des Platzes. Die Herrenhausruine stammt aus späterer Zeit. „In der Burg begrüßte Herzog Wartislaw I. den Gast, als er mit seinem Gefolge hier 1128 eintraf“, sagt Ruchhöft.

1124/25 hatte Otto bereits östlich der Oder das Christentum verbreitet, in dem er predigte und anschließend Unmengen von Menschen „den Kopf wusch“, wie der Ur- und Frühgeschichtler scherzt. Also taufte. Drei Jahre später reiste Otto nach Vorpommern. Der pommersche Herzog, selbst bereits Christ, hatte ihn darum gebeten. Ruchhöft hält es für sehr wahrscheinlich, dass Wartislaw sich von der Christianisierung auch eine leichtere Lenkung des Slawenvolkes versprach.

Im Schloss Demmin ging es erst einmal ungemütlich zu. Man bekriegte sich gerade mit den Liutizen. Unter herzöglichem Schutze eilte Otto also schnell weiter nach Gützkow, während der größte Teil seines Gefolges mit dem Gepäck auf Schiffen die Peene abwärts nach Usedom fuhr. Wir folgen Otto über die landschaftlich reizvolle Route über Loitz – mit 900-jährigem Abstand, aber sehr viel sicherer.

„Auf dem Burgberg in Gützkow hat man slawische Siedlungsreste ausgegraben“, sagt Ruchhöft. In der Kirche des Ortes zeigt eine Bleiverglasung aus dem 19. Jahrhundert ein Bildnis Ottos. In Gützkow angekommen, errichtete er auf dem heutigen Kirchhügel nämlich seine Holzkirche. „Obwohl die Gützkower wohl gerade ihren Tempel fertig hatten“, sagt Ruchhöft. „Sie bettelten, dass sie diesen als Kirche nehmen könnten. Aber Otto hat gesagt: abreißen!“ Ob wirklich niemand widersprach? Größere Kämpfe blieben wohl aus. Für Ruchhöft ein Zeichen der imposanten Wirkung des Bischofs. „Otto hat durch Reichtum beeindruckt“, ist der Forscher sicher. Und so blieb das Schwert in der Scheide. „Die barfüßigen Bettelmönche, die es vor ihm versucht hatten, wurden totgeschlagen.“

Was dieser Otto von Bamberg für ein Mensch war, resolut oder eher sanft, ob er vielleicht auch mal gelacht hat – all das muss wohl trotz aufwändigster Forschung über und unter der Erde im Dunkeln bleiben. „Keine Quelle beschreibt solche Alltäglichkeiten“, sagt Ruchhöft amüsiert. Drei sogenannte „Heiligenviten“ über Otto von Bamberg wurden niedergeschrieben, durchweg Huldigungen.

Von Gützkow nun weiter nach Stolpe. An der Bundesstraße vor dem Ort steht der Wartislaw-Gedenkstein, das älteste Zeugnis der Missionierung in dieser Region. Im Ort bereits der nächste Superlativ: die Ruine des ältesten Klosterbaus in Pommern. Außerdem erinnert hier die Wartislaw- Gedächtniskirche aus dem 19. Jahrhundert an die Zeit um 1128.

In Usedom auf dem Schlossberg steht seit 1928 das große Otto-Kreuz. „Usedom war damals der Hauptort, eine der größten Städte, vergleichbar mit Wollin, also Vineta“, erklärt Ruchhöft. Der Hügel selbst trug die Burg. Zu Pfingsten 1128 traten hier die slawischen Edlen zusammen. Wartislaw stellte Bischof Otto als einen Sendboten des Papstes vor und forderte die Versammlung auf, die Annahme des Christentums zu beschließen. Und so geschah es. „Weiter unten in der Priesterstraße stand die Peter-Pauls-Kirche. Man fand bei Grabungen auch Zeugnisse eines Friedhofes aus dem 12. Jahrhundert. Aber alle diese Spuren schlummern in Magazinen vor sich hin“, erzählt der Wissenschaftler. „Weil wir ja leider kein archäologisches Landesmuseum haben. Das kann man gar nicht oft genug bedauern!“

Deutlich sichtbar dafür ein ausgesprochen junges Zeugnis: nämlich die Schnitzfigur Ottos von 2013 in der Kirche, gefertigt von Günter Roßlau aus Gneventin.

Wolgast war ebenfalls Herrschaftssitz, auch hier heute eine Schlossinsel ohne Schloss. Schautafeln erinnern an diese Epoche. Und auch hier ließ Otto den heidnischen Tempel abreißen. Heute steht dort die St. Petri- Kirche. Ein Stein in der Außenwand und einer im Inneren zeugen vom slawischen Ursprung.

Otto war übrigens zu Weihnachten wieder zurück in Bamberg. Ob er erschöpft war? Auch wir Spurenwandler haben jedenfalls rund 200 Kilometer Rundreise hinter uns, wenn wir wieder in Demmin landen. Doch es steht zu vermuten, dass wir weit bequemer reisten als der Bischof. Ob nun per Auto, Boot oder Fahrrad. Und missionieren brauchten wir ja zum Glück auch niemanden mehr. Oder?

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 29/2014