Joachim Gauck setzte als Bundespräsident besondere Akzente Ein Prophet der Freiheit

Von Tilman Baier

Kurz vor seinem Amtsantritt als Bundespräsident besuchte Joachim Gauck die mecklenburgische Landessynode

Foto: kirche-mv.de/D. Vogel

26.03.2017 · Berlin/Schwerin. Mit dem Großen Zapfenstreich als höchste militärische Ehrung ist Joachim Gauck am vorigen Freitag (17. März)  aus seinem Amt als Bundespräsident verabschiedet worden. Der Militärbischof dankte ihm – als bisher einzige offizielle Stimme aus der Führungsetage der Evangelischen Kirche in Deutschland – zu seinem Abschied.

Es war einer seiner ersten großen Auftritte als Bundespräsident: Zum Gründungsfest der Nordkirche Pfingsten 2012 war auch Joachim Gauck nach Ratzeburg gekommen. Umarmungen von Weggefährten aus seinen Jahren als Pastor in Rostock ließen die Sicherheitsbeamten unruhig werden. Auch bei seinem präsidialen Grußwort geriet Joachim Gauck – trotz seiner Jahre als Chef der nach ihm benannten Bundesbehörde – wieder ins pastörliche volksnahe Predigen.

Reden sind für einen Pastor das wichtigste Handwerkszeug und das wichtigste politische Mittel für einen Bundespräsidenten. Kein Wunder also, dass auch Gaucks erste Weihnachtsansprache als Staatsoberhaupt 2012 zur Predigt geriet. Wie einst von der Kanzel rief er zu Nächstenliebe und Besinnung auf. Dieser Ton, den Gauck auch die folgenden fünf Jahre als Bundespräsident beibehielt, und dass er es nicht verbarg, wenn er gerührt oder ergriffen war, brachten ihm in manchen, vor allem linken und weit rechts stehenden Kreisen, Häme ein. Doch beim größten Teil der Bevölkerung kam das gut an.

Gaucks Thema war und ist die Freiheit – erklärbar aus seiner DDR-Biographie, aber auch durch seine Arbeit als Bundesbeauftragter für die Unterlagen der DDR-Staatssicherheit. Das Etikett „Bürgerrechtler“ aber, das ihm von der Medienwelt aufgedrückt wurde, wurde ihm von ostdeutschen Bürgerrechtlern nicht zuerkannt. Gauck sei im Herbst 1989 nur auf den fahrenden Zug aufgesprungen, so die Kritiker.

Joachim Gauck rede zwar viel von der Freiheit, aber wenig von der Gerechtigkeit, so lautete einer der Vorwürfe gegen ihn. Doch es war gerade Gaucks Leitbegriff, der ihn dort, wo er die Freiheit bedroht sah, auch bei Staatsbesuchen deutliche Worte finden ließ – einschließlich der Freiheit zur Religionsausübung. In der hitzigen Debatte mit Pegida und AfD um die Aufnahme von Flüchtlingen stellte er sich auf die Seite der Verfechter einer Willkommenskultur. Typisch für ihn ist, dass er dabei die umstrittenen Worte seines Vorgängers Christian Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland, abwandelte in „Die Muslime gehören zu Deutschland“.

"Die Freiheit der Erwachsenen heißt Verantwortung"

Er, der sich bei Amtsantritt als „Liebhaber der Freiheit“ bezeichnet hatte, kam auch jetzt beim Abschied vom Amt noch einmal auf dieses Lieblingsthema zurück. Auf die Frage, welchen Satz von ihm sich die Deutschen merken sollten, sagte er: „Es wäre schön, wenn man sich an den Satz erinnern würde: ‚Die Freiheit der Erwachsenen heißt Verantwortung.‘ Dieser Satz bedeutet: Jeder einzelne Mensch soll die Potenziale erkennen, die er hat, um etwas aus seinem Leben zu machen und sich für das Gemeinwesen einzusetzen. Auch das Land als Ganzes soll davon überzeugt sein, dass es fähig ist, Gutes zu tun.“ Was von der Präsidentschaft des Joachim Gauck bleiben wird, sind Sätze wie diese.

Der 77-Jährige hatte bereits im Februar erklärt, dass er keine Rückkehr als Prediger plane. Trotzdem lässt es sich als besondere Verbindung zu seiner Kirche werten, dass auch am Ende seiner Amtszeit die Teilnahme an einem wichtigen kirchlichen Ereignis stand, am katholisch-evangelischen Versöhnungsgottesdienst in Hildesheim vor zwei Wochen.

Aus der evangelischen Kirche gab es bis Redaktionsschluss jedoch nur zwei öffentliche Reaktionen: Die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden und die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden bedauerten, dass Gauck nicht auf einen Großen Zapfenstreich der Bundeswehr verzichtet hatte. Angesichts einer wachsenden Militarisierung der europäischen und auch der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik wäre dies ein deutliches Zeichen gewesen, hieß es.

Militärbischof Sigurd Rink hingegen dankte Gauck für seine „klare Haltung, Einsatz und Mut“. Rink: „Besonders hat mich beeindruckt, dass Bundespräsident Gauck den Streitkräften einen Ort in der Mitte unserer Gesellschaft zugewiesen hat und die Bundeswehr eine Stütze unserer Freiheit nannte.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 12/2017