Gedenken an den Tornado vor einem Jahr Es geschah an einem Maienabend

Von Tilman Baier

An der Bützower Stiftskirche erinnert ein Bauschild an den Tornado

Foto: T. Baier

05.05.2016 · Bützow. Es war gegen 19 Uhr, als am 5. Mai 2015 ein Tornado eine Schneise der Verwüstung durch das Zentrum von Bützow schlug. Die Bilder davon lösten eine Welle der Hilfsbereitschaft in ganz Deutschland und darüber hinaus aus. Ein Jahr danach sind viele der materiellen Schäden behoben. Doch das Ereignis ist unter den Einwohnern noch sehr präsent. Darum haben die Gemeinden der Stadtökumene beschlossen, am Abend des Himmelfahrtstages alle verfügbaren Glocken zu läuten.

„Jeder hier hat seine Geschichte mit dem Tornado“, erzählt Johanna Levetzow. Die 32-Jährige ist seit dem 1. Februar Gemeindepastorin in Bützow. Sie hat die Spur der Zerstörung, die ein Wirbelsturm vor einem Jahr durch die Stadt zog, selbst nicht miterlebt. Doch durch ihre Arbeit wird sie fast täglich damit konfrontiert. „Es ist eine immerwährende Erzählung. Nach und nach erfahre ich, wer wo gerade war, als der Tornado gegen 19 Uhr durchs Zentrum der Stadt tobte, und wer wo mitgeholfen hat.“ Dann hört sie auch oft, dass es bei allem Erschrecken ein gutes Erlebnis war, wie die Einwohner zusammen angepackt hätten.

Zwar sind für den eiligen Besucher der Stadt kaum noch gravierende Schäden zu sehen, und etliche Gerüste wie am Rathaus weisen für den Unkundigen eher auf eine normale Sanierung hin. Doch es gibt manche Ecken und Hinterhöfe, die noch kaputt oder nicht aufgeräumt sind, entdeckt die Pastorin in ihrem Arbeitsalltag Stück für Stück. „Das alles ist wie ein Puzzle für mich“, erzählt sie.

Zu diesem Puzzle gehört auch, dass sie immer wieder von dem ersten Gottesdienst nach dem Tornado hört, „den viele als sehr hilfreich empfunden haben.“ Wichtig sei den Menschen hier auch der Gottesdienst gewesen, an dem Bischof Andreas von Maltzahn und der zuständige Rostocker Propst Wulf Schünemann teilgenommen hatten. „Das war eines der vielen Zeichen, dass auch außerhalb von Bützow wahrgenommen wurde, was die Stadt und die Einwohner zu tragen hatten und immer noch zu tragen haben.“

Sie selbst hat die Fernsehbilder von den Verwüstungen in England gesehen. Damals war sie mit ihrem Vikariatskurs auf Studienreise in der anglikanischen Partnerdiözese Lichfield. Bereits vor der Reise hatte sich der Kurs entschlossen, als Ausgleich für den Kohlendioxid-Ausstoß ihres Flugzeuges Bäume zu pflanzen. Nach den Bildern aus Bützow war für die Gruppe klar: Die pflanzen wir dort.

"Wir sind stolz in der Gemeinde"

Wie die neu gepflanzten Bäume ist auch das leuchtende Rot des frisch gedeckten Kirchendaches über der Stadt zu einem Symbol geworden. Einerseits erzählt es davon, wie schnell alle menschlichen Bemühungen durch Kräfte der Natur zunichte gemacht werden können. Denn die Stiftskirche zu Bützow, ein Denkmal von nationaler Bedeutung, war gerade neu eingedeckt worden, als der Tornado zuschlug, das Kirchdach großflächig abdeckte und sogar den Turmhelm anhob und verschob. Andererseits erzählt es auch von all den Bemühungen und Hilfsaktionen, die Schäden zu beseitigen. „Wir sind stolz in der Gemeinde auf all das, was bereits passiert ist – und dass es nun weitergeht“, erklärt Johanna Levetzow.

Auch die beiden Pfarrhäuser waren schwer beschädigt worden. Vorgängerpastor Karl-Martin Schabow hatte damals in der Kirchenzeitung von verzweifelten Rettungsaktionen des Inventars berichtet. Das eine Haus, das zurzeit nicht von der Gemeinde genutzt wird, ist bereits wieder instandgesetzt, beim anderen sind noch Restarbeiten zu erledigen. In der Kirche müssen noch Risse im Gewölbe beseitigt werden, bevor der für das vergangene Jahr geplante achte Bauabschnitt, die Restaurierung der Decken-Ausmalung, endlich losgehen kann. Ein gewaltiges Baugerüst steht schon im Altarraum und wird Joch für Joch durch die Kirche wandern. „Wir haben nun Baustellenflair im Gottesdienst und müssen jedesmal neu schauen, wie wir feiern“, sagt die Pastorin.

Wenn alles gut geht, soll in diesem Sommer noch der neunte Bauabschnitt beginnen – die Restaurierung der beiden Buntglasfenster mit Luther und Melanchthon. Für 2017 steht die Sanierung des unteren Innenraums mit dem Gestühl auf dem Plan. Noch in diesem Jahr soll zudem die berühmte Bützower Sonnenuhr, frisch restauriert, am Tag des Offenen Denkmals, ihren angestammten Platz an der Südostecke der Kirche bekommen. Johanna Levetzow freut sich bereits darauf: „Da wird es ein bisschen gefeiert.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 19/2016