Zwischenruf eines Kirchenältesten angesichts zunehmender Entmündigung Ehrenamtlicher "Dies Enge und Härte machen mir Angst“

Matthias Fischer

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05.12.2019 · Güstrow. Matthias Fischer ist neben seinem Beruf als kaufmännischer Vorstand der Nordkirchen-Schulstiftung auch Kirchenältester in der Domgemeinde Güstrow. Doch in seinem Ehrenamt fühlt er sich zunehmend von der innerkirchlichen Bürokratie eingeengt. Ein Diskussionsbeitrag zum heutigen Tag des Ehrenamtes.

Gott der Herr stellt meine Füße auf einen weiten Raum – meine Kirche nicht. Da wird es immer enger! Seit mehr als 30 Jahren bin ich Ältester in der Domgemeinde Güstrow und seit 1990 Vorsitzender des Kirchengemeinderates. In dieser Zeit ist in unserer Gemeinde „viel geworden“ – äußerlich sieht man, dass der Dom saniert ist und ein neu gebautes Gemeindezentrum zur Verfügung steht. Auch der Sonntagsgottesdienst ist gut besucht, und es gibt auch junge Leute. Dafür danken wir Gott. Dass ich meine Kirche als zunehmend eng erlebe, möchte ich an einigen Beispielen einer langen Liste erläutern: Obgleich wir in der Vergangenheit größere Bauvorhaben geschultert und die Gebäude instand gehalten haben, haben wir in all den Jahren nie versäumt, für diese Aufgabe Rücklagen zu bilden. Es sind ausreichend Rücklagen vorhanden. Dennoch verpflichtet uns ein Gesetz der Landeskirche dazu, in jedem Jahr einen festen Prozentsatz unseres Haushaltes als Rücklage anzusparen. Dieses Gesetz ist formal umzusetzen, ohne danach zu fragen, ob bereits Rücklagen vorhanden sind. Über Jahrzehnte haben wir verantwortliche Haushalterschaft geübt. Nun wird uns der Spielraum für eigene Entscheidungen genommen. Sicher, es gibt Gemeinden, die in schwierige wirtschaftliche Situationen geraten sind, weil keine Rücklagen gebildet wurden. Das ist jedoch kein Grund, per Gesetz alle zu Rücklagen zu zwingen.

Zum Bau am „Weinberg Gottes“ braucht es geeignete Mitarbeiter. Durch die Arbeit unserer Gemeindepädagogin ist viel entstanden, das dringend zusätzlich gepflegt werden muss. Wir brauchen eine zweite Kraft – bezahlt aus eigenen Mitteln. Seit etwa zwei Jahren ist auch an dieser Stelle unser Raum für Entscheidungen durch ein Kirchengesetz eingeengt: Ohne zusätzliche Prüfung dürfen nur noch Gemeindepädagogen aus ausgewählten Ausbildungsstätten eingestellt werden. Begründet wird das mit der Qualitätssicherung.

Andererseits bedeutet das, dass man den Kirchengemeinderäten nicht mehr zutraut, die Qualität des einzustellenden Mitarbeiters selbst zu beurteilen. Bei dem heutigen Arbeitsmarkt wird sich kein Gemeindepädagoge zusätzlichen Kursen und Prüfungen unterziehen, um bei uns arbeiten zu können – er findet eine andere Gemeinde.

Das kürzlich von der Synode erlassene Gesetz zur Trauung gleichgeschlechtlicher Paare entspricht sicher heutigem Denken – aber es erweitert nicht nur, es engt auch ein. Es lässt keinen Spielraum für Gemeinden, nach deren Glaubenseinsichten eine solche Handlung nicht möglich ist. Müssen denn alle in gleicher Weise glauben? Wäre es wirklich eine unbillige Härte gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren, gegebenenfalls eine andere Gemeinde zu finden, die ihrem Wunsch nach Trauung nachkommt? Ist die Härte gegenüber Mitarbeitenden in unserer Kirche nicht ebenso groß, wenn man von ihnen verlangt, gegen Grundsätze ihres Glaubens – mögen es auch gestrige sein – zu verstoßen? Diese Enge und Härte machen mir Angst!

Endlich thematisierte unsere Synode den Mitgliederschwund ernsthaft! Bis dahin war das fast tabu: So titelte die Kirchenzeitung vor einem guten Jahr, dass es mehr Kircheneintritte als Austritte gäbe. Hier wurden zu den Eintritten die Kindertaufen mitgerechnet, während bei den Austritten die Sterbefälle vernachlässigt wurden. Welch eine Verspottung des gesunden Menschenverstandes!

Es vergeht kaum eine Tagung oder Synode, ohne zu betonen, dass Laien eine immer wichtigere Rolle spielten. Dennoch werden mir als Kirchenältesten permanent Entscheidungskompetenzen entzogen. Wozu sollte ich dann noch Ältester sein? Stattdessen werden „wegen der wachsenden Bedeutung von Laien“ jetzt regelmäßig Ehrenamtstage durchgeführt. Eher würde es mich aber motivieren, wenn ich weniger eingeengt würde und wenn Entscheidungen in die Ortsgemeinde verlagert würden.

Bei der gegenwärtigen Entwicklung, wird es immer enger. Die Luft zum Atmen wird dünn. Immer mehr Menschen wenden sich ab. Doch der Kirche fällt es erst auf, wenn sie austreten. Wenn es uns mehr schmerzen würde, dass sich Menschen von uns abwenden, wir ihre Herzen, ihr Engagement verlieren – dann würden wir vielleicht Konsequenzen ziehen, die den Raum wieder weiter werden ließen – Gott der Herr jedenfalls stellt meine Füße auf einen weiten Raum.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 48/2019