Bachs Matthäuspassion Das eindrücklichste Werk der Kirchenmusikgeschichte

Von Sybille Marx

Die Kantorei Demmin singt die Matthäuspassion mit anderen am 13. April in Demmin, am 14. in Stralsund.

Foto: H. Günter Behnke

07.04.2019 · Demmin/Stralsund/Schwerin. Die Geschichte von Jesu Leiden und Sterben – in Bachs Matthäuspassion wird sie in gigantischer Aufmachung erzählt. Zwei Chöre, zwei Orchester, viele Solisten treten auf. Nirgendwo sonst in der Nordkirche ist diese Passion so oft zu hören wie in Hamburg – aber auch in MV steht sie auf dem Programm.

Wenn sich am 13. April die wuchtige St.- Bartholomaei-Kirche in Demmin öffnet, werden voraussichtlich Hunderte Menschen hineinströmen. „500 werden es wohl sein“, schätzt Kirchenmusikdirektor Thomas K. Beck. Denn dann führt er mit seiner Kantorei, dem Bachchor Stralsund und dem Barockorchester Musica Baltica Bachs berühmte Matthäuspassion auf – ein Werk, das jetzt zur Passionszeit auch Menschen in die Kirche lockt, die sonst gar nicht kommen würden.

Die Matthäuspassion von Bach, 1727 komponiert: Sie erzählt die Geschichte von Jesu Leiden und Sterben nach dem Matthäusevangelium in Szenen, Arien und Chorälen und gilt als das eindrücklichste Werk der Kirchenmusikgeschichte, sagt Hans-Jürgen Wulf, einer der Nordkirchen-Landeskirchenmusikdirektoren. Oder wie Thomas Beck formuliert: „Es ist das Stück, in das Bach am meisten hineingelegt hat.“ Unglaublich tiefgründig sei es und außergewöhnlich oppulent: Zwei Chöre braucht man, um es zu singen, ein doppeltes Orchester und mindestens fünf Solisten. Drei Stunden dauert es. Keine andere bekannte Passionsmusik und kein anderes Stück von Bach sind so aufwendig. Das ist auch der Grund, warum nur größere Kirchen es zur Passionszeit spielen, sagt Wulf.

"Langweilig wird es nie, diese Musik ist einfach grandios“

Immerhin: In der gesamten Nordkirche ist die Matthäuspassion in über zehn Kirchen zu hören, darunter in fünf Hamburger Kirchen, außerdem im Schweriner Dom, in der St.-Bartholomaei-Kirche Demmin und in der Stralsunder Kulturkirche. Kantor Thomas Beck im kleinen Demmin kann nur höchst selten den Aufwand betreiben, ein so opulentes, teures Stück auf den Plan zu setzen.

Im Hamburger Michel jedoch ist es seit den 1950er-Jahren Tradition, die Matthäuspassion jedes Jahr aufzuführen. „Wenn man das sein ließe, gäb’s Ärger“, sagt der dortige Kirchenmusikdirektor Christoph Schoener schmunzelnd. Er selbst findet: „Langweilig wird es nie, diese Musik ist einfach grandios.“ Anspruchsvoll gebaut wie eine gotische Kathedrale sei sie und voller Raffinessen. „Zum Beispiel die Stelle, an der die Jünger fragen, bin ich’s, der dich verraten wird? Wer mitzählt, stellt fest: Bach lässt diese Frage elf Mal singen, das zwölfte Mal kommt sie vom Chor, der die Gemeinde symbolisiert.“

"Die Chöre fiebern darauf hin“

Auch Thomas Beck begeistert sich für die Zahlensymbolik, mit der Bach Botschaften im Werk hinterließ. Und freut sich, dass seine knapp 100 Chorleute aus Demmin und Umgebung sofort Lust hatten, sich auf die Matthäuspassion einzulassen und dafür mit einem Stralsunder Chor zusammenzuarbeiten. Eine Aufführung wird es am 13. April in Demmin geben, eine in Stralsund am 14. „Die Chöre fiebern darauf hin“, sagt Beck. Das Stück sei für sie anspruchsvoll, weil manche Einsätze sehr überraschend kämen. „Es gibt immer wieder längere Arien, nach denen der Chor ganz plötzlich wieder da sein muss.“ Darum gelte es, das ganze Stück über sehr wach zu sein. „Aber meine Leute sind Kummer gewohnt“, scherzt er.

Auch für die Zuhörer dürfte das Werk eine Herausforderung sein: Wer auf Kirchenbänken eine dreistündige Musik hören will, braucht Sitzfleisch. „Aber Musik erreicht eine Tiefendimension“, meint Landeskirchenmusikdirektor Wulf, sie löse Emotionen aus und könne mitreißen. Im Übrigen machten Musiken die Passionszeit als eigene Zeit erlebbar. „In den Läden geht Weihnachten ja fast direkt in Ostern über.“ Die Passionsmusik dagegen richte den Fokus auf Leiden und Sterben. „Diese Zeit bewusst zu durchschreiten, finde ich essenziell.“ Danach dürfe es dann Ostern werden.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 14/2019


AUFFÜHRUNGEN

Matthäuspassion

  • Demmin, St. Bartholomaei-Kirche, Sonnabend, 13. April, 17 Uhr
  • Stralsund, Jacobikirche, Palmsonntag, 14. April, 17 Uhr
  • Schwerin, Dom, 19. April, 15 Uhr

Johannespassion

  • Schönberg, Kirche, 19. April, 15 Uhr