Rund 200 Johanniter-Brüder kamen in Stralsund zusammen Die Ritter von Pommern

Von Sybille Marx

Einzug der pommerschen Ritter in die Stralsunder Marienkirche – die Gottesdienstbesucher in den Bänken reckten die Hälse.

Foto: S. Marx

17.05.2015 · Stralsund. Sie verstehen sich als Christen, die mit den Waffen des Glaubens für eine bessere Welt kämpfen: die Johanniter- Ritter. In Vorpommern unterstützen sie unter anderem die kirchliche Kinder- und Jugendarbeit.

Ein Hauch von Mittelalter weht durch die St. Marienkirche in Stralsund, als sich der Menschenzug am Eingang in Bewegung setzt. In langen, schwarzen Mänteln schreiten über 100 Männer durch den Mittelgang, vorbei an den rund 200 Gottesdienstbesuchern in den Bänken. Ihre Mäntel schwingen beim Gehen, auf der linken Brustseite tragen sie jeweils ein leuchtend weißes Kreuz mit acht Spitzen: das Kreuz des rund 900 Jahre alten Johanniterordens. Und sie nennen sich „Ritter“.

„Könnten Sie mir die Fotos schicken, die Sie von uns gemacht haben?“, wird einer von ihnen nach diesem Gottesdienst am 10. Mai bitten. „Der Einzug mit den Mänteln, das ist auch für uns immer ein beeindruckendes Bild“, sagt er. Man darf vermuten: Ein Quäntchen Eitelkeit gehört bei den Johanniter-Rittern dazu. Aber aufgenommen in diese weltumspannende Bruderschaft wird nur, wer sich als Anwärter über Jahre bewährt und in den zwei Ordensregeln brilliert: als Christ für die Ausbreitung des Glaubens zu kämpfen, sich für Arme und Kranke einzusetzen.

„Treten Sie heute vor diesen Altar, um gemeinsam ihre Treue und ihren Gehorsam zum Orden zu geloben“ – Oskar Prinz von Preußen, der Herrenmeister des Ordens und damit oberster Johanniter weltweit, bittet sechs Männer aus den Kirchenbänken nach vorn. Fast 130 Johanniter-Ritter sind mit ihren Frauen und Gästen zum Jahrestreff en der pommerschen Johanniter- Genossenschaft angereist. Eine Mitgliederversammlung haben sie am Vortag absolviert, einen Vortrag zum Rechtsextremismus gehört. Jetzt feiern sie mit der Mariengemeinde den Gottesdienst – und am Ende ihre jährliche Zeremonie: engagierte Brüder werden ausgezeichnet, neue in den Orden aufgenommen.

„Klein sind die Rechte, groß die Pflichten!“

Prinz von Preußen spricht mahnende Worte, bevor er den sechs Anwärtern das Treueversprechen abnimmt und die Rittermäntel überreicht. „Verschwindend klein sind die Rechte eines Ritters“, betont er, „groß dagegen die Pflichten!“ Christliche Kaufleute aus Italien hatten im 11. Jahrhundert ein Krankenhaus in Jerusalem gebaut, um arme und kranke Pilger zu versorgen. Das war der Zweck des Ordens, der später zum Ritterorden wurde. Heute ist der karitative Ansatz professionalisiert, rund 90 Alten- und Pflegeheime gibt es deutschlandweit in Trägerschaft des Ordens, außerdem Krankenhäuser, die Johanniter-Unfallhilfe, auch Schulen und Kitas. Die 4000 Ritter, die weltweit zum Orden gehören, kämpfen ehrenamtlich für die Ziele.

„Für mich ist das der bewusste Versuch, im Alltag als Christ zu leben, also den christlichen Glauben zu mehren und für andere Menschen da zu sein“, erklärt der Greifswalder Plasmamedizin- Professor Thomas von Woedtke. Vor fünf Jahren trat er in die Bruderschaft ein, jetzt hat man ihn für seine Mitarbeit ausgezeichnet. Mit den rund 40 anderen Johanniter- Rittern, die in Vorpommern wohnen, unterstützt er etwa die Greifenstiftung, die von Johannitern gegründet wurde. Christliche Jugendarbeit in der Region will sie mit Fördergeldern stärken, darunter Projekte wie die „Greifitti“-Jugendgottesdienste in Greifswald, die Jugendkirche im sozialen Brennpunkt Grünhufe in Stralsund, die Konfi projektstelle Sassen und die übergemeindliche Jugendarbeit in und um Pasewalk. „Wir haben im vergangenen Jahr verstärkt Spenden für diese Stiftung gesammelt“, erklärt von Woedtke. Immerhin 30 000 Euro habe die Stiftung so vergeben können.

Andere Johanniter unterstützen Flüchtlinge in Pasewalk, helfen bei Hoffesten in einer Behinderten-Einrichtung in Ducherow oder bezahlen Müttern mit Frühgeburten die täglichen Fahrten zum Spezialkrankenhaus nach Greifswald. „So hat jeder Ritterbruder verschiedene Aufgaben, die er unterstützt“, erklärt Thomas von Woedtke.

„Ich bin sehr glücklich“

Martin Bergmann, ein 46-jähriger Rechtsanwalt, gehört zu den Männern, die heute in den Orden aufgenommen wurden. „Ich bin sehr glücklich“, sagt er. In den Jahren der Anwartschaft sei die pommersche Genossenschaft für ihn zu einer Heimat geworden. „Und ich finde es gut, dass Johanniter sich weltweit engagieren, aber auch gucken: Welche Probleme sind vor Ort zu lösen?“

Bergmann lebt bei Frankfurt am Main, doch seine Mutter hat pommersche Wurzeln. Und der Vortrag, den er und seine Brüder am Vortag im Rathaus hörten, von Rechtsextremismus- Experte Günther Hoffmann, hat ihn in seiner Meinung bestärkt: „Was die Johanniter hier machen, zum Beispiel mit der Greifen-Stifung, ist gut.“ Die Neonazis, das habe Hoffmann deutlich gemacht, seien in Vorpommern erschreckend gut aufgestellt, machten sich als nette Nachbarn und Leiter von Kinder- und Jugendcamps Freunde. „Auch deshalb ist kirchliche Kinder- und Jugendarbeit wichtig“, sagt Bergmann. „Wir müssen den jungen Leuten Alternativen bieten, damit sie gar nicht erst bei den Neonazis Heimat finden.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 20/2015