Alles unter einem Dach Die Heiligen-Geist-Kirche in Rostock hat endlich einen großen Gemeinderaum

Von Marion Wulf-Nixdorf

In den neuen Gemeindesaal unter der Nord-Empore passen rund 70 Menschen.

Foto: Kirchengemeinde

30.11.2014 · Rostock.

Schnell vor dem Termin mit dem Pastor noch einen Kaffee trinken in der Nähe der Heiligen-Geist- Kirche in Rostock. Als ich aus dem Feinkosthaus in der Fritz-Reuter-Straße herausgehe, frage ich die Wirtin, ob ich zur Kirche nun rechts oder links gehen müsse. Sie guckt mich fragend an, was ich da wolle, die Kirche sei jetzt zu. Ich habe einen Termin mit dem Pastor, sage ich und dass ich mir den neuen Gemeinderaum ansehen wolle... Sie fällt mir ins Wort:

Eigentlich sei sie dagegen gewesen, 52 Jahre lebe sie nun schon hier in diesem Haus, sei in Heiligen-Geist getauft, konfirmiert, es sei „ihre“ Kirche ihr Leben lang. Aber diesen Umbau, das Herausreißen der Bänke unter der Nord-Empore – das fand sie ganz schlimm. Aber als sogar der viel verehrte ehemalige Gemeindepastor von Heiligen-Geist, Axel Walter, mit hoch in den 70ern gesagt habe, nun solle es mal endlich losgehen mit dem dringend nötigen Gemeinderaum in der Kirche – da habe sie gedacht: Na, wenn die Alten das schon wollen..., die doch meist mehr am Gewohnten hängen...

„Man muss sich auch mal überzeugen lassen: Es ist toll geworden“, sagt sie plötzlich. Und dann erzählen wir weiter, es stellt sich heraus, dass sie, Gerlind Ahrndt-Raddatz, 1. Vorsitzende des Kirchengemeinderates ist. Und ich solle ihren Pastor grüßen, der habe heute Geburtstag...

Als ich dies Pastor Marcus Antonioli, (44), wenige Minuten später im neuen Gemeinderaum erzähle, ist er richtig gerührt. Dass seine erste Vorsitzende das so offen sagt, freut ihn sehr. Ein richtiges Geburtstagsgeschenk! Es sei wirklich ein sehr langer Weg gewesen bis hierher.

Junge Gemeinde - starke Fluktuation

Die neugotische Heiligen-Geist- Kirche liegt im angesagten Stadtteil Kröpeliner-Tor-Vorstadt (KTV) in Rostock. Von den 2 200 Gemeindemitgliedern seien nur rund 260 älter als 60, sagt Antonioli. Die stärkste Gemeindegruppe – rund 1 000 – sind die 20- bis 30-Jährigen. Das sind normalerweise nicht die, die sonntags im Gottesdienst sitzen – 50 bis 60 sind es aber hier. Er gestalte die Gottesdienste gern thematisch, sagt der Gemeindepastor, in der letzten Zeit fand ein Gospel-Gottesdienst statt, einer zum Fairen Handel, ein Jazz-Duo musizierte, auch die Jugendkirchenband war schon zu Gast.

Rund 700 Menschen ziehen im Jahr aus der Gemeinde weg und auch sehr schnell wieder zu. Wohnungen sind knapp und teuer hier. Es gibt viele Studenten, viele junge Familien – wenn die dann mehr als zwei Kinder haben, werden die Wohnungen zu klein... Die Gemeindestruktur ändert sich in einem fort. „Viele Menschen begleiten wir also nur kurz“, sagt der Pastor, „darauf müssen wir uns einstellen.“

„Die Kirche ist die gute Stube der Gemeinde“

Nicht nur auf die sich ändernde Mitgliedersituation, auch auf die finanzielle Situation der Kirche müsse reagiert werden. Wie viele Gebäude werde sich eine Kirchengemeinde in Zukunft noch leisten können? Werden Pfarrhäuser – meist groß – mit Räumen für die Gemeinde selbstverständlich sein? Damit befasst sich zur Zeit auch die mecklenburgische Kirchenkreissynode, deren Mitglied Antonioli seit drei Legislaturen ist. Auch diese Überlegungen führten zu dem Beschluss, die Heiligen- Geist-Kirche nicht nur als Gottesdienst- sondern auch zum Gemeindezentrum umzubauen – ohne dass der Raumeindruck des Kirchenschiffs gestört wird. Statt eines neuen Gemeindezentrums wollten die Rostocker alles in ihrer Kirche haben, in den Turm werden auch Toiletten eingebaut werden. „Die Kirche ist die gute Stube der Gemeinde“, meint der Pastor.

Der Einbau ist gelungen. Eine Glaswand, die in der Höhe der Wölbung nachempfunden ist, trennt den Kirchenraum mit rund 1 000 Plätzen (einschließlich Emporen) und Gemeinderaum (70 Plätze) unter der Nord-Empore. Die Glaswand – 13 Meter breit – ist mit Lutherrosen versehen, damit man nicht aus Versehen gegen die Wand läuft. Die Glastüren sind für acht Meter zu öffnen und dadurch ist der Gemeinderaum dem Kirchenschiff zuschaltbar. Die Kirchenbänke wurden eingelagert, eine Reihe ist wegen des optischen Eindrucks stehengeblieben, aber beweglich, sodass sie zur Seite geräumt werden kann, wenn die Glastüren geöffnet werden. Die Fenster bekamen aus energetischen Gründen eine Schutzverglasung. Die Heizkörper wurden mit Wärmetauscher eingebaut, damit die Luft nicht knapp wird und Heizkosten gespart werden. Die Kirche wird künftig nur auf 17 Grad geheizt, der Gemeinderaum wird wärmer.

„Wir wollen nicht nur die Kirche erhalten“, sagt Marcus Antonioli, „wir wollen auch mehr in das Bewusstsein der Menschen in unserem Stadtteil kommen.“ Dafür hat er mit anderen den „KTV-Verein“ gegründet, der schon ein Stadtteilfest und eine Aktion zum Tag des offenen Denkmals organisiert hat, bei dem um die 400 Leute auch in die Kirche gekommen sind.

100-Prozent-Anstellung zu vergeben

Die beiden alten Gemeinderäume mit rund 35 m2 Größe werden weiter für die Kinderarbeit und kleine Gruppen zur Verfügung stehen. Die Jugendlichen haben ihren Raum im Keller des Pfarrhauses. Ein großer Wunsch bleibt: Die Gemeinde sucht einen Gemeindepädagogen zur 100-Prozent-Anstellung.

Wer sich die Kirche ansehen möchte mit dem neuen Gemeinderaum und seiner schicken Bestuhlung, ist mittwochs von 16.30 bis 19.30 Uhr eingeladen. Wiebke Schomann hält die Kirche dann offen – nach ihrer Arbeit. Gottesdienst wird sonntags um 10 Uhr gefeiert.

Das nächste Konzert unter der Leitung von Kantorin Dorothee Frei ist am Sonnabend vor dem 3. Advent um 17 Uhr zu hören. Es erklingen das Oratorio de Noel (Weihnachtsoratorium) von Camille Saint-Saens und die „Cantique de Jean Racine“ von Gabriel Faure. Die Zuhörer sind auch zum Mitsingen von Advents- und Weihnachtsliedern eingeladen. Zu hören ist die Capella Cantata der Heiligen- Geist-Kirche und ein Solistenquartett der Hochschule für Musik und Theater sowie der Heiligen-Geist-Chor.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 48/2014