Podiumsdiskussion in Güstrow Teilhabe von Behinderten: Diakonie-Präsident warnt vor Bürokratie

30.08.2019 · Güstrow.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie hat vor zu viel Bürokratie bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) für Menschen mit Behinderung gewarnt. Bei der Festlegung von persönlichen Bedarfen müsse nicht jede Situation bis ins Kleinste festgeschrieben werden, sagte Lilie am Donnerstagabend in Güstrow bei einer Podiumsdiskussion der Diakonie zur Inklusion. Zudem wies er darauf hin, dass zügig Umsetzungsregelungen in den einzelnen Bundesländern geschaffen werden müssten. Es gebe Bundesländer, wo Träger von Behinderteneinrichtungen sagten, sie müssten Konkurs anmelden, wenn sie nicht bald Rahmenverträge erhielten.

Nach den Worten der Schweriner Sozialministerin Stefanie Drese (SPD) erarbeitet Mecklenburg-Vorpommern derzeit den Landesrahmenvertrag. Sie gehe davon aus, dass dieser Vertrag nicht das Ende der Diskussion sein wird. Nachsteuerungen seien denkbar.

Es müsse sichergestellt sein, dass es keinen Unterschied macht, in welcher Gegend des Landes ein Behinderter lebt, sagte Drese. Die Landkreise hätten sehr intensiv Fachkräfte dafür ausgesucht, die Teilhabepläne für die einzelnen Betroffenen zu erstellen. Dass Mitarbeiter von Behinderteneinrichtungen bei der Erstellung angehört werden, gehöre für einen guten Entscheider mit dazu.

Der Bürgerbeauftragte von Mecklenburg-Vorpommern, Matthias Crone, sagte, es gehe nicht nur darum, wie Leistungen bezahlt werden, sondern auch darum, wie Bedarfe festgestellt werden. Da seien Sachkunde und Haltung der Entscheider in den Verwaltungen wichtig. Sie müssten sich auf Behinderte einstellen können und dürften nicht nach Schema F entscheiden.

Henrike Regenstein, Vorstandsmitglied des Diakonischen Werkes MV, sagte, es dürften bei der Bedarfsermittlung keine Leistungslücken entstehen. Zusatzbedarfe seien nicht im Regelsatz der Sozialhilfe enthalten. Als Beispiel nannte sie Waschpulver. Dieses werde über den Regelsatz bezahlt. Ein Behinderter benötige aber auch eine Anleitung zum Waschen. Und die sei nicht im Regelsatz der Sozialhilfe enthalten.

Björn Kozik, Bereichsleiter Behindertenhilfe der Diakonie Güstrow, befürchtet, dass Mehrbedarfe von Schwerstbehinderten an die Pflegekasse abgeschoben werden. Damit Betroffene psychisch stabilisiert werden, benötigten sie jedoch Pädagogen und Heilerzieher, die intensiv mit ihnen arbeiten.

Seit Dezember 2016 vollzieht sie sich die Umsetzung des BTHG. Es soll Menschen mit Behinderung eine selbstbestimmtere Lebensführung ermöglichen. Der Zeitdruck bis zum Start der nächsten Reformstufe 2020 steigt. Das BTHG will die Unterstützung allein an den individuellen Bedürfnissen ausrichten. Dazu können künftig Einzelbausteine aus Hilfs- und Betreuungsangeboten ausgewählt werden. Für jede betroffene Person muss ein sogenannter Teilhabeplan erstellt werden.

Künftig werden alle verfügbaren Leistungen in zwei Hilfearten unterteilt, und - auch das ist neu - getrennt finanziert. Unterschieden werden die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Fachleistungen zum Bewältigen des Lebens - bei freier Wahl der Wohnform. Zu den Fachleistungen gehören therapeutische Angebote wie Ergotherapie oder eine pädagogische Assistenz. Wer welche Unterstützung finanziert bekommt, hängt vom persönlichen Bedarf ab.

Quelle: epd