Deutsche und Polen gedenken der Opfer der ersten deutschen Deportation Sich gemeinsam erinnern

Von Gabriele Prodöhl

Kranzniederlegung an der 1938 zerstörten Synagoge in Stettin. Vor 75 Jahren wurden von der Hauptstadt des Regierungsbezirks Pommers aus 1107 Juden deportiert.

Foto: G. Prodöhl

22.02.2015 · Szczecin. Am 13. Februar 1940 starteten die Nazis einen ersten Testlauf in Deutschland. Aus dem gesamten Regierungsbezirk Pommern wurden Juden deportiert. Nach 75 Jahren nun ist Zeit für gemeinsames Erinnern.

Zwölf von ihnen überlebten den Holocaust. Nur zwölf. 1107 Juden hatten die Nazis am 13. Februar 1940 aus den verschiedenen Städten Pommerns in Stettin zusammengetrieben und verschleppt. Vor 75 Jahren fand damit in Stettin der erste organisierte Transport von Juden aus Deutschland statt. Ein Testlauf sozusagen.

Grund für das deutschpolnische Kulturforum Odermündung e.V., mit deutschen und polnischen Initiativen, einen Gedenktag mit Vorträgen und Diskussionen zu initiieren. Ziel der Tagung war die Suche nach einer gemeinsamen Erinnerungskultur im deutsch-polnischen Alltagsleben. Es war das erste Mal überhaupt, dass Deutsche und Polen gemeinsam der deportierten Juden aus dem damaligen Pommern gedachten.

Unter den Gästen waren Vertreter der Wojewodschaft Westpommern, der Landesregierung von MV und des deutschen Generalkonsulats in Danzig. Am Ort der ehemaligen Stettiner Synagoge legten sie alle Kränze nieder. Nur noch eine kleine Messingtafel an der Mauer erinnert an die einst so prachtvolle Stettiner Synagoge – und auch erst seit einigen Jahren.

1875 fanden in ihren Mauern etwa 1600 Personen Platz, etwa 900 Männer und 750 Frauen. Das Bauwerk zeugte vom regen jüdischen Leben in der pommerschen Metropole. Die Synagoge stand bis 1938 an der Grünen Schanze in der Stettiner Altstadt. 1938 fiel sie den Pogromen zum Opfer.

Offener Dialog im Mittelpunkt

Bei der Gedenkfeier am 13. Februar diesen Jahres und der anschließenden Konferenz stand der offene Dialog im Mittelpunkt. Der Fokus wurde darauf gelegt, wie künftig eine gemeinsame Form des Gedenkens funktionieren könne. Gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse in der Ukraine und Paris seien die Bewahrung von Frieden und Menschenrechten in Europa alles andere als sicher.

„Ein gemeinsames Erinnern von Deutschen, Juden, Israelis und Christen ist ein Wunder, das vor Jahrzehnten noch nicht möglich gewesen wäre“, erklärte der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die Beziehungen zu jüdischen Organisationen und Antisemitismusfragen, Felix Klein.

Jüdische Mitbürger würden wieder Vertrauen in Deutschland fassen. Auch in Polen lebe der Dialog wieder auf. Vor der Gründung Israels lebten die meisten jüdisch-stämmigen Menschen in Polen.

Nach Empfinden des Israelis Jonny Daniels, Gründer der Stiftung „From the Depths“ in Israel, sei Stettin ein besonderer Ort der polnischen, deutschen, jüdischen, russischen und norwegischen Erinnerung. Denn einige jüdische Bewohner des damaligen Stettins wären nach Skandinavien und Russland ausgewandert.

Nach Aussagen der Vizepräsidentin des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, Beate Schlupp, stehe die Politik vor allem vor der Aufgabe, die Zusammenarbeit mit Polen für die jüngere Generation attraktiv zu machen. In den gut geordneten Archiven der Stadt Stettin gebe es reichlich zeitgeschichtliches Material. Das Grauen jener Zeit müsse auf verständliche Weise aufgearbeitet werden.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 08/2015