Wie Detlef Niemann eine rund 220 Jahre alte Uhr wieder zum Laufen brachte Der Tüftler an der Turmuhr von Ludwigsburg

Von Sybille Marx

Der Stundenzeiger geht wieder, einen Minutenzeiger hat die Uhr an der Ludwigsburger Schlosskapelle nie gehabt. „Sie stammt aus einer Zeit, als den Leuten die Minute noch nicht wichtig war“,

Foto: Sybille Marx

20.07.2014 · Greifswald. 90 Jahre lang stand sie still – jetzt geht die mechanische Turmuhr von Ludwigsburg wieder. Ein ehemaliger Techniker aus dem Ort hat sie mit Hilfe von Kölner Vereinsleuten wieder zum Laufen gebracht.

Anfangs waren da immer noch diese Zweifel: Würde die Turmuhr laufen, wenn er das nächste Mal an der Kirche ankäme? Alle paar Tage fährt der Rentner Detlef Niemann zur Schlosskapelle Ludwigsburg, um in dem kleinen Kirchlein nach dem Rechten zu sehen. „Inzwischen weiß ich: Um die Uhr muss ich mir keine Sorgen mehr machen“, sagt der 71-Jährige. „Die Reparatur war erfolgreich: Sie läuft!“

Keine Selbstverständlichkeit. Denn rund 90 Jahre lang stand die schmiedeeiserne Turmuhr in dem Dorf am Greifswalder Bodden still. Bis Niemann bei einem seiner Kontroll- Rundgänge durch die über 300 Jahre alte Schlosskapelle in diesem Frühjahr plötzlich dachte: Vielleicht krieg ich sie ja wieder zum Laufen...

Niemann hat bis zur Rente als Sachverständiger für elektrische Anlagen beim TÜV Nord gearbeitet und hilft seit Jahren, die Schlosskapelle Ludwigsburg für Gottesdienste sauber und in Schuss zu halten. Eine Treppe und zwei steile, hölzerne Leitern in der Kapelle muss er hinaufsteigen, dann liegt es vor ihm: das alte Herz der Turmuhr, eine schmiedeeiserne Konstruktion mit drei Zahnrädern, vielen Seilen und Gewichten.

Rund 220 Jahre alt. Im Rechnungsbuch der Kapelle jedenfalls steht der Nachweis, dass der „Obrist Lieutenant und Schiffer von Klinkowström“ die Güte gehabt habe, „der hiesigen Ludwigsburger Kirche den 10 ten May in diesem 1798 ten Jahr eine Schlag Uhr im Thurm zu schenken“, weiß Niemann. „Dass dieses Uhrenwerk nach so langer Zeit immer noch fast vollständig erhalten ist, ist etwas besonderes.“

Allerdings: eben nur fast vollständig. Die Gewichte, mit denen die Uhr einst aufgezogen wurde, fehlten, als Niemann sich an die Restaurierung machen wollte. Also fing er an, mit Ziegelsteinen als Gewichten zu experimentieren und im Internet nach Experten zu suchen, die ihn beraten könnten. Beim Arbeitskreis Turmuhren der Deutschen Gesellschaft Chronologie stieß er schließlich auf Peter Fassbender aus Fürth bei Köln. „Ich konnte ihm ein paar Tipps geben und dann hat er sich wirklich reingekniet“, erzählt Fassbender, der seit 30 Jahren selbst alte Turmuhren restauriert. Das Ludwigsburger Exemplar sei ein „Chronosaurier“, ungewöhnlich alt und gut erhalten. „Mit der Restaurierung hat Herr Niemann wirklich ein Bravour-Stück hingelegt.“

Nicht nur die alte, rostige Mechanik hat der Tüftler in Ludwigsburg wieder zum Laufen gebracht. Aus zwei gebrauchten Rolladen-Motoren, die er bei Ebay ersteigerte, aus Seilen, Magneten und Hilfsgewichten hat Niemann auch einen Antrieb gebaut: „So wird die Uhr automatisch ungefähr vier mal pro Tag aufgezogen“, erklärt er. Andernfalls hätte jemand die tonnenschweren Gewichte einmal am Tag in die Höhe kurbeln müssen, so wie bis ins 20. Jahrhundert. „Damals hatte die Kirche aber auch noch einen hauptamtlichen Küster“, erzählt der Rentner. „Wer sollte das heute machen...?“

Aufgezogen wie von unsichtbarer Hand tut die Ludwigsburger Uhr nun also ihren Dienst, lässt immer zur vollen Stunde ihre zarten Schläge hören. „Die Nachbarn freuen sich“, sagt Detlef Niemann. Die Gemeinde sowieso. Und er selbst tüftelt weiter. „Ich habe angefangen, die Zahnräder auszumessen, um die ganze Konstruktion mal nachzurechnen.“ Warum das Pendel so und so lang sein muss, um im rechten Maß zu schlagen. „Da mal durchzusteigen – das reizt mich.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 29/2014