Faszination Baum: Dieser Sommer lädt dazu ein, Gott in der Natur zu finden Der Wald als Kirche

Von Christine Senkbeil

„Heilige Hallen“ nannten unsere Vorfahren dieses 25 Hektar große Waldstück im Naturpark Feldberger Seenlandschaft. Ein Ort, an dem viele die Nähe Gottes spüren können.

Foto: Hendrik Fulda

27.07.2014 · Neustrelitz.

Ab und zu muss Hendrik Fulda raus. Sein Büro einfach Büro sein lassen. Die Trekkingschuhe anziehen, mit denen er, wie er behauptet, als Thüringer praktisch auf die Welt kam. Hinaus aus der Nationalparkverwaltung und rein in seinen Wald. Den Buchenwald, den er sonst vom Schreibtisch aus bewacht. „Es ist so eine Ruhe unter diesen hohen Buchen. Da fällt alles von mir ab“, sagt der Landschaftsökologe aus Neustrelitz. Innehalten. Eins sein mit der Natur. Vom Ursprünglichen umgeben. Oft benutzte Schlagworte. Aber sie drücken aus, was er hier spürt: „Eine starke Verbindung zu Gott.“

Glücksfall, dass Hendrik Fulda der Bewahrung der Schöpfung also nicht nur als Christ, sondern auch beruflich verpflichtet ist. Als Mitarbeiter in der Verwaltung des Müritz-Nationalparks koordiniert er die Aktivitäten rund um das hier wachsende Weltnaturerbe. Der Wald als Ort der Gottesnähe? Schuf der Mensch sich dazu nicht die Kirchen? „Offensichtlich empfanden schon Generationen den Wald als heiligen Ort“, meint Fulda.

Bäume, Haine, Wälder dienten in heidnischer Zeit als Kultplätze. Auch die Romantiker zogen eine klare Verbindung zwischen Kirche und Wald. Gotteshäuser sahen sie sozusagen als steinerne Nachahmungen lebendigen Waldes. Die Architektur christlicher Bauten mit ihren Säulen und Gewölben sei auch die eines Buchenwaldes. „Buchen bleiben gern unter sich und dulden kein Buschwerk“, sagt Fulda. „So entsteht der Eindruck einer mächtigen Halle und ihre silbergrauen Stämme wirken wie schlanke Säulen.“ Wald wurde zu Kirche.

Nicht verwunderlich also, dass im Umkehrschluss dann wieder der Wald wie eine Kirche erscheint. „Es ist der Wald wie eine Kirche, drum geh‘ mit Andacht Du hinein“, begann Georg Graf zu Münster (1776–1844) seine lyrische Liebeserklärung an den Wald.

Ganz in der Nähe der Wirkungsstätte von Hendrik Fulda, im Buchenwald bei Lüttenhagen, empfand Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz um 1850 ähnliches. Der Adelsherr war von dem Waldstück so fasziniert, dass er es noch über die größten und schönsten Kirchbauten der Welt stellte: „Dies Gewölbe mir ersetzen, kann nicht Mailands hoher Dom. Ja, so spricht zu meinem Herzen selbst St. Peter nicht zu Rom.“

Die Rede ist in diesen Gedichtzeilen von den „Heiligen Hallen“, einem 25 Hektar großen Waldstück im Naturpark Feldberger Seenlandschaft, drei Kilometer westlich von Feldberg. Sie gelten als Deutschlands ältester Buchenwald. „Dass es diesen Bestand heute noch gibt, verdanken wir Großherzog Georg“, sagt Hendrik Fulda. Denn Georg widmete den Buchen nicht nur das Gedicht, sondern auch die Verfügung, dass dieser „in seiner majestätischen Schönheit für alle Zeiten zu erhalten sei“.

Ein großer Zaun kam also um das auch als Jagdrevier genutzte Gelände, und es wurde nicht geholzt. 1908 führte der Heimatbund Mecklenburg die Heiligen Hallen auf seiner Vorschlagsliste der staatlichen Naturdenkmale. 1938 wurden sie zum ersten Waldnaturschutzgebiet Mecklenburgs erklärt.

„Zur Zeit des Großherzogs waren die Bäume 200 Jahre alt und 50 Meter hoch. Sie hatten ihren optimalen Stand“, erklärt Katja Powils, die im Forstgebiet Lüttenhagen das Waldmuseum „Lütt Holthus“ leitet.

Doch über 150 Jahre sind seither vergangen. Wenn Katja Powils Gäste zu den Heiligen Hallen bringt, stehen diese oft staunend vor einer bizarren Landschaft aus abgeknickten Bäumen und totem Holz. Junge Buchen strecken sich neben den Gefallenen zum Licht. Mehr Urwald als Kirche. „Der Wald befindet sich inzwischen in der Zerfalls- und Umbruchsphase“, muss die gelernte Försterin dann erklären. Denn hier darf nun mal umfallen, was umfallen will – niemand räumt es weg. „Die Heiligen Hallen sind ein Eldorado für Käfer und Spinnen“, erzählt Hendrik Fulda begeistert: „Es ist unvorstellbar, was für ein Artenreichtum in totem Holz herrscht.“

Und die Kirchenhalle? Muss man, um sie zu sehen, in 200 Jahren wiederkommen? „Kommen Sie jetzt schon!“, sind sich beide Waldmenschen einig. Sowohl der Naturpark Feldberger Seenlandschaft mit den Heiligen Hallen als auch der Müritz-Nationalpark böten herrlichste Wanderwege für Gottsucher und alle, die sich nach Ruhe mit Vogelgezwitscher sehnen.

„Es gibt hier so viele Stellen, an denen man sich fühlt, als wäre man in einem Dom“, sagt Katja Powils. „Gerade im Sommer, wenn das Sonnenlicht durch das Grün fällt wie durch bunte Kirchenfenster."

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 30/2014


Musik und Kirche im Grünen:

  • Führungen zu den Heiligen Hallen und dem Paradiesgarten finden jeden Donnerstag um 9.30 Uhr statt.
  • Ein Gottesdienst im Grünen mit Seepanorama findet am 17. August um 17 Uhr auf dem Hauptmannsberg bei Carwitz in der Nähe von Feldberg statt.
  • Ein Konzert unter Bäumen im Wald mit Jaspar Lebuda gibt es Donnerstag, den 28. August, 19 Uhr, im Forstamt Neu Pudagla auf der Insel Usedom.