Bauen bis zum Jubiläum Der Herrnhuter Kirchensaal soll nach historischem Vorbild saniert werden

Von Katharina Rögner

Kirchsaal der Brüdergemeine in Herrnhut

Foto: epd-bild/Rolf Zöllner

21.08.2019 · Herrenhut.

Mitten im Ort, gleich neben dem früheren Wohnhaus des Stadt- und Kirchengründers Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760) steht die Kirche der Herrnhuter Brüdergemeine. Das Gebäude mit den Seitenflügeln und dem schönen Dachreiter ist außen saniert, innen jedoch in die Jahre gekommen. "Seit den 1950er Jahren ist nicht mehr viel passiert", sagt die Vorsitzende des Fördervereins des Kirchensaals, Angelika Doliv. Die technische Ausstattung im Saal und den Nebenräumen habe quasi noch den Standard von damals.

Es fehlen noch Gelder

Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit und der nicht atmungsaktiven Farben aus DDR-Zeiten seien die Wände von Schimmel befallen. Zeit also zum Handeln. Nach anfänglichem Zögern will es die kleine Kirchgemeinde mit etwa 500 Mitgliedern wagen: Das Innere der Herrnhuter Kirche soll komplett saniert werden - einschließlich Orgel. Den offiziellen Start der Bauarbeiten feierte die Brüdergemeine am vergangenen Sonntag mit einem Gottesdienst.

Für die Gesamtsanierung sind knapp drei Millionen Euro veranschlagt. Es gibt bereits Fördermittel von Bund und Land. Zudem sollen Kosten durch Stiftungen, kirchliche Zuschüsse und aus Spenden gedeckt werden. Etwa 500.000 Euro fehlen noch.

Barrierefrei - trotz historischer Sanierung

Bis zum Jubiläumsjahr 2022, dem 300-jährigen Bestehen von Ort und Herrnhuter Brüdergemeine, sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein. Die Sanierung erfolgt nach historischem Vorbild - und zwar analog dem Zustand vor 1945. Eingebaut wird unter anderem wieder eine zweite Empore. Auch der Fußboden, der Eingangsbereich und die technische Ausstattung werden modernisiert. Für die gewünschte Barrierefreiheit soll künftig ein Fahrstuhl sorgen.

Die Siedlung Herrnhut, heute eine Kleinstadt im ostsächsischen Landkreis Görlitz, wurde 1722 von Glaubensflüchtlingen aus Böhmen gegründet. Das Land dafür hatte ihnen der vom Pietismus geprägte Reichsgraf Zinzendorf zur Verfügung gestellt. Er gilt auch als Gründer der Brüdergemeine, der sogenannten Brüder-Unität. Herrnhut ist der Ursprungsort dieser evangelischen Freikirche mit Gemeinden in mehr als 40 Ländern auf fünf Kontinenten.

Ort des Glaubens und Begegnung

Das historische Herrnhuter Kirchengebäude mit dem ersten "Betsaal" war 1756/57 im Stil des sächsischen Landbarocks errichtet worden. Im Mai 1945 wurde es durch Brandstiftung nahezu vollkommen zerstört und zwischen 1951 und 1956 wieder aufgebaut. Für die geplante Rekonstruktion des Innenraumes gibt es etliche Unterlagen und Fotos.

Aber nicht alles der früheren Ausstattung passt zum heutigen Geschmack und zu den Anforderungen einer modernen Gemeinde. "Wir wollen einen Saal, der unserem Lebensgefühl entspricht, nicht dem des 18. Jahrhunderts", betont Pfarrer Peter Vogt. Der Kirchensaal sei "ein lebendiger Ort des Glaubens, der Begegnung und der Kultur". Er werde auch von der Schule und der Diakonie im Ort genutzt.

Unter anderem müsse diskutiert werden, ob die umlaufende hölzerne Wandverkleidung, die sogenannte Lambrie, wieder genauso eingebaut wird wie vor der Zerstörung, sagt Vogt. Jahrzehntelang fehlte sie. Im originalgetreuen Nachbau würde die dem Saal Licht nehmen, jedoch auch eine bessere Akustik und Dämmung bringen.

Die zweimanualige Schuster-Orgel von 1957 wird im Gottesdienst am Sonntag zum vorerst letzten Mal gespielt. Nächste Woche soll sie ausgebaut und danach von in der Bautzener Firma Eule saniert und um ein Manual erweitert werden. Sie kehrt voraussichtlich erst im Frühjahr 2022 zurück.

Gottesdienst auf der Baustelle


Fördervereinsvorsitzende Doliv bezeichnet das Bauvorhaben als ein "Wahnsinnsprojekt". Dennoch bleibt die Gemeinde in Bodenhaftung. "Die Gottesdienste feiern wir auf der Baustelle", sagt Doliv. Die Kirchenbänke - schneeweiß und ein "Markenzeichen" der Herrnhuter - können variabel aufgestellt werden. Viele Gemeindemitglieder wollten auf "ihren" Saal nicht verzichten, sagt Doliv.

Und noch ein großes Vorhaben steht neben Jubiläum und Sanierung auf der Liste: Die Bewerbung des Ortes Herrnhut bei der Unesco als Weltkulturerbe - zusammen mit der Gemeinde Bethlehem im US-Bundesstaat Pennsylvania, die auch über einen historischen Siedlungskern der Brüdergemeine verfügt. Es sei ein Folgeantrag, sagt Vogt, denn Christiansfeld in Dänemark - mit einer ebenfalls gut erhaltenen Siedlung der Herrnhuter - wurde bereits 2015 von der Unesco anerkannt.

Quelle: epd