In Greifswald nutzen Christen den Weihnachtsmarkt für die Botschaft der Heiligen Nacht Das Jesuskind als Stadtgespräch

Von Christine Senkbeil

Die Adventskapelle auf dem Greifswalder Weihnachtsmarkt: Täglich bietet sie in den Adventswochen mitten im Marktteiben ruhige „Lichtpunkte“ zum Innehalten.

Foto: Nicole Kiesewetter

27.11.2016 · Greifswald. Die Weihnachtsmärkte überall im Land sind eröffnet. An manchen sind auch Kirchengemeinden beteiligt. So ist in Greifswald eine Adventskapelle inmitten der bunten Buden bereits gute Tradition. Für einige Aufregung sorgte dort im vergangenen Jahr das Verschwinden des Christuskindes. Nun ist Ersatz beschafft worden.

Die Entführung fand mitten im Getummel statt. Ein Neugeborenes wurde gestohlen – beim Mitternachtsshoppen. Tatenlos mussten die Eltern zusehen. Sie selbst waren Fluchtlinge. Wie die Vernehmung durch die Polizei ergab, kamen sie aus Palastina. Ihre Namen: Maria und Josef, das entführte Kind heißt Jesus.

Die Straftat, das Stehlen einer Krippenfigur, ereignete sich auf dem Greifswalder Weihnachtsmarkt, am 15. Dezember 2015. Es war Zufall, dass Gerhard Ulrich am Morgen danach den Tatort besuchte. Der Landesbischof der Nordkirche hatte sich als Gast in der Adventskapelle angemeldet, gleich neben der verwaisten Krippe. Dabei wurde er Zeuge der Gespräche von Besuchern, die sich an diesem Morgen nur darum drehten. Der Verfall der Werte im Allgemeinen wurde beklagt, der Sachschaden der lebensgroßen Plastik im Speziellen. Der Bischof aber schmunzelte und sagte: „Das ist doch ein gutes Zeichen! Da hat jemand offensichtlich genau ins Zentrum gegriffen!“

"Advent ist der Weg hin zu Jesus Geburt“

Eine Specksteinfigur in Babyformat als Zentrum? Ja. Ist doch das ganze Spektakel ringsherum, vom Bratwurststand bis zur Losbude, diesem Kind zu verdanken. „Advent ist der Weg hin zu Jesus Geburt“, so Ulrich, Wissen, das in den letzten 2000 Jahren vielen verloren gegangen scheint. „Eine Umfrage auf dem Rostocker Weihnachtsmarkt hat gezeigt, dass nicht einmal mehr alte Leute darüber Bescheid wissen“, erzählt eine Journalistin, die an diesem Tag ebenfalls in die Adventskapelle gekommen war.

Doch auch dieser Umstand besorgte den Bischof nicht sehr. „Die Geschichten sind so stark, dass sie sich mitteilen“, versicherte er. Wie tief die Sehnsucht namens Weihnacht in den Menschen wohnt, sei kürzlich bei einem Besuch in einem Gefängnis sichtbar geworden: Die Haftlinge durften dort einen Baum schmucken. „In der Seefahrt wurde man sagen, er war ‚über die Topp geflaggt‘“, erzählte der Bischof. Und jeder Stern sei ein Verweis auf diese Mitte – auf Jesus, auf die Geburt des Gottessohnes. Auch hier, bei dem Diebstahl der Jesus-Puppe vom Greifswalder Weihnachtsmarkt habe jemand intuitiv erkannt, dass diese Specksteinfigur eben nicht Requisite, sondern wichtiges Zeichen ist.

"Es geht uns um die Erinnerungskultur“

Fast ein Jahr ist diese Aufregung nun her. Die Stadt als Besitzerin des Krippenensembles hatte den Dieb aufgefordert, das Kind zurück zu geben, hatte sogar eine anonyme Babypuppenklappe eingerichtet. Doch das Jesus-Kind blieb verschwunden. Zur Eröffnung des Marktes am Sonnabend lag ein neues Kindlein in der Krippe. Die Stadt hat eines beim italienischen Hersteller nachgeordert.

„Wir können nicht davon ausgehen, dass unsere Geschichten, von denen wir Christen leben, noch selbstverständlich verfügbar sind“, sagt Hans-Martin Harder vom Kapellenverein. Mit-Initiator Roland Sprinborn bekräftigt: „Es geht uns um die Erinnerungskultur“. Seit sieben Jahren gehören sie zu den Aktiven, die sich für diese kirchliche Insel im Marktgetummel einsetzen. Nun startet sie in eine weitere Saison. Damit das Jesus-Kind im Gespräch bleibt.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 48/2016