Domgemeinde Ratzeburg soll von Mecklenburg nach Lübeck-Lauenburg wechseln Das Ende eines Sonderweges

Von Tilman Baier

Der Ratzeburger Dom gehört seit gut 350 Jahren zu Mecklenburg. Nun soll er den Kirchenkreis wechseln.

Foto: Tilman Baier

26.06.2016 · Ratzeburg. Die Domgemeinde Ratzeburg ist etwas Besonderes. Nicht nur, weil ihr Domizil idyllisch auf einer Halbinsel im gleichnamigen See liegt. Seit 71 Jahren hat sie, als mecklenburgische Gemeinde in Schleswig-Holstein gelegen, auch einen Sonderstatus. Damit soll nach dem Willen der Nordkirchenleitung nun Schluss sein. 

Manchmal lebt es sich zwischen zwei Stühlen recht kommod. Dorthin waren die mecklenburgischen Kirchgemeinden Ziethen und Dom Ratzeburg geraten, als im Juni 1945 die britische und sowjetische Besatzungsmacht beschlossen, die mäandernde Landesgrenze zwischen Mecklenburg und Schleswig-Holstein zu begradigen. Beide gehörten fortan politisch zu Westdeutschland. Weniger komfortabel traf es die schleswig-holsteinische Kirchengemeinde Lassahn am Schaalsee, die sich in der sowjetischen Zone wiederfand.

Die Grenze dagegen, die in Ratzeburg zwischen dem Domhof und der Stadt verläuft, ist uralt. Während des späten Mittelalters trennte sie das Herzogtum Sachsen-Lauenburg von dem Grundbesitz des Bistums Ratzeburg. Nach dessen Säkularisierung zum Fürstentum und dem Westfälischen Frieden von 1648 wurde dieses Gebiet später Mecklenburg zugeordnet und den Strelitzer Herzögen unterstellt. Schon damals war das Fürstentum Ratzeburg der wohlhabendere Teil des kleinen Herzogtums, zudem erwies es sich für die Bewohner als angenehm, dass der Landesherr in Neustrelitz, also weit weg, residierte.

Aus welchen Gründen auch immer – auch während der deutschen Teilung von 1945 bis 1990 hielten die Domgemeinde und die Ziethener, nun auf westdeutschem Gebiet, die Fahne Mecklenburgs hoch und pflegten die Verbindungen in die östliche Mutterkirche. Aber diese war weder finanziell noch verwaltungstechnisch in der Lage, sich um ihre Gemeindeglieder und Gebäude westlich der innerdeutschen Grenze zu kümmern. Darum wurde 1954 ein separater Verwaltungsbezirk Ratzeburg gegründet und die Landeskirche Schleswig-Holstein mit der Verwaltung beauftragt. Doch auch die Zuordnung zu Nordelbien 1980 änderte nichts am alten Rechtsstatus.

Auch nach Wiedervereinigung blieb alles beim Alten

Diese Zugehörigkeit zur armen, ostdeutschen Landeskirche Mecklenburgs wurde auch durch ein Pappschild eindrücklich dem Besucher des Domes klargemacht. Es verschwand allerdings, nachdem am 12. November die Grenze an der alten Chaussee von Gadebusch nach Ratzeburg geöffnet wurde, und DDR-Mecklenburger sich in dem wohlsanierten und geheizten Dom darüber mokiert hatten.

Auch nach der Wiedervereinigung, ja selbst nach der Fusion zur gemeinsamen Nordkirche blieb faktisch alles beim Alten: Die Domgemeinde behielt einen Sonderstatus und wurde, statt wie alle anderen Gemeinden von einem Kirchenkreis, vom Landeskirchenamt in Kiel direkt verwaltet. Die ideale Lage inmitten der künftigen Nordkirche hatte sogar bei manchen zu Überlegungen geführt, hier den Sitz von Landesbischof und Landeskirchenamt zu errichten. Der damalige Domprobst (mit b, auch ein Sonderfall) hatte sogar laut davon geträumt, dass Ratzeburg Sitz eines lutherischen Erzbischofs werden könnte.

Doch mit diesem Sonderstatus soll nun Schluss sein. Die Ziethener hatten sich schon bald nach der Wiedervereinigung dafür entschieden, zum Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg zu wechseln. Die Kirchenleitung will dies nun auch für die Ratzeburger Domgemeinde der Landessynode vorschlagen.

Domprobst wirbt um Verständnis

Auf einer Gemeindeversammlung, die kürzlich stattfand, warb der jetzige Domprobst Gert-Axel Reuß um Verständnis für diesen Schritt. Der Domkirchgemeinderat hatte zwar signalisiert, dass er die Fortführung der gegenwärtigen Praxis bevorzuge, um zum Zusammenwachsen von Ost und West in der Nordkirche beizutragen. Doch diese Option gebe es nicht. Dass nun das Gremium zum Wechsel in den Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg tendiere, betonte Reuß, sei aber keine Entscheidung gegen Mecklenburg.

Propst Karl-Matthias Siegert (Wismar), Vorsitzender des Kirchenkreisrates Mecklenburg, sieht es pragmatisch: Die Ratzeburger Domgemeinde sei durch die deutsche Teilung in die ehemalige Nordelbische Kirche hineingewachsen. „Es ist richtig, dies jetzt auch organisatorisch nachzuvollziehen – und zwar zum Wohl der Domgemeinde.“ Zudem würde ja nichts hindern, dass Domgemeinde und Kirchenkreis Mecklenburg ihre besonderen Beziehungen weiter pflegen, so Siegert.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 26/2016