Christiane Körner im Interview Viel Zeit für Gespräche und Beratung

Christiane Körner

Foto: kirche-mv.de/D. Vogel

13.03.2016 · Schwerin/Neustrelitz. Sie war die erste Landessuperintendentin und seit Einführung der Nordkirche Pröpstin in Mecklenburg. Am heutigen Sonntag wird Christiane Körner in einem Gottesdienst in der Stadtkirche (Beginn um 14.30 Uhr) aus dem Dienst als Pröpstin im Kirchenkreis Mecklenburg verabschiedet. Im Gespräch mit Marion Wulf-Nixdorf hält sie Rückschau.

Sie waren die erste Frau im Amt der Landessuperintendentin in Mecklenburg. Haben Sie etwas anders gemacht als Ihre männlichen Kollegen?

Christiane Körner: In der Propstei spielte es nach meinem Eindruck eher keine Rolle. Auf landeskirchlicher bzw. Kirchenkreisebene fühlte ich mich als Frau manchmal einsam. Es fiel mir besonders auf, wenn ich einmal in vor allem weiblich besetzten Gruppen arbeitete: Die Atmosphäre war offener und kommunikativer, persönlicher und emotionaler!! Mein Arbeitsstil – wohlgemerkt aus meiner Wahrnehmung – war sicher ein Mix aus Weiblichkeit und meinen Prägungen. Mir lag an Kommunikation und Zeit für Beratung vor Entscheidungen. Ich habe viel Zeit in Gespräche, Vernetzung und Begleitung gesteckt. Mit Freude habe ich den Austausch mit Unternehmern, Landwirten und zum Thema Kirche- Kunst-Kultur initiiert. Im Kirchenkreis Stargard gab es über einige Zeit ein Kirchenkreisgebet und den Oasentag. Mit anderen zusammen habe ich ehrenamtliche Gemeindeleiter ausgebildet. Für meinen eigenen Weg hatte ich einen geistlichen Begleiter und für Krisensituationen eine Supervisorin an der Seite. Aber natürlich hat jeder von uns seine Kompetenzen eingebracht und sich enorm engagiert! Ich habe uns als verantwortungsbewusstes, starkes Team erlebt, miteinander für den Kirchenkreis auf dem Weg. Wir haben gemeinsam sehr viel geleistet und den Weg in die Nordkirche und die ersten Jahre im Kirchenkreis Mecklenburg wesentlich mit gestaltet. Es hat – bei aller Anstrengung – Freude gemacht!

Sie haben den demografischen Wandel in Ihrer Propstei erlebt? Wie beeinflusst er das kirchliche Leben?

Der ehemalige Kirchenkreis Stargard hatte im Jahr 2004 rund 30 200 Gemeindeglieder, 2014 etwa 22 900. Jährlich geht zahlenmäßig eine Kirchengemeinde verloren. Durchschnittlich kommen derzeit auf eine Kirche etwa 125 Gemeindeglieder. Der demographische Wandel ist eine große Herausforderung – vor allem für den ländlichen Raum. Gottesdienste werden kleiner, Kreise brechen weg, die Zahl der Ehrenamtlichen schmilzt, das Durchschnittsalter liegt über 60. Pfarrstellen wurden zu ruhenden erklärt, so dass die Wege und die Anzahl der Friedhöfe und Kirchen pro Gemeinde zum Teil noch einmal zugenommen haben. Vergeblichkeit von Arbeit, Einsamkeit, der Umfang an organisatorischem Aufwand frustrieren und machen auch krank.

Der demographische Wandel fordert zu Veränderungen heraus. Arbeitsweisen, Strukturen und Berufsbilder sind angefragt. Das ist erst einmal zu begreifen und zu verkraften! Das tut weh, verunsichert und gibt Streit. Ein junger Pastor sagte kürzlich: „Hier geht es nicht nur um Trauer-, sondern um Hospizarbeit.“ Manchmal tröstet mich der Weg Jesu sehr – es war kein heroischer Weg, sondern verbunden mit Schmerzen, Einsamkeit, Schwachheit. In allem aber auch verbunden mit Gott und seiner Liebe – und mit dem Geschenk neuen Lebens!

Hat sich Ihr Bild von Kirche geändert?

Es wurde geschärft: Eine Kirche, die sich nur um ihren Bestand sorgt, hat keinen Bestand. Wesentlich sind Aufmerksamkeit, Freundlichkeit und Solidarität untereinander und mit den Menschen, mit denen wir zusammen leben.

Unsere Kirche wird – im Osten spürbar – kleiner und schwächer. Sie kann nicht überall sein. In manchen Orten gibt es – trotz vieler Bemühungen – außer Seelsorge kein kirchliches Leben mehr. An anderen Orten blüht dafür auf einmal etwas Neues auf, das dann zu stärken ist. Wir sollten uns konzentrieren und dort sein, wo Menschen Gebet, Begleitung, Gemeinschaft und Zusammenarbeit suchen. Das erfordert den Abschied von der flächendeckenden Versorgung und Offenheit für ungewohnte Wege. Am spannendsten finde ich die zunehmende Zusammenarbeit mit Konfessionslosen, die sich aber im seltensten Fall an die Kirche binden. Mir fällt auf, dass diese Entwickung Freude und Hoffnung bringt. Gelernt habe ich auch, dass eine große Ungleichzeitigkeit und Vielfalt der Wege kirchlicher Arbeit möglich sein müssen und dass es ohne Solidarität zwischen Starken und Schwachen nicht gehen kann.

Ihr Kirchenkreis war Erprobungsgebiet der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Was ist geblieben von den Bestrebungen?

Trotz sinnvoller Inhalte wurde in der Region kein gemeinsamer Weg gefunden. Beziehungen und Hoffnungen sind zerbrochen. Fehlende Offenheit füreinander und die Macht der Sorge um die eigene Gemeinde waren ernüchternd. Zugleich haben wir manches gelernt: Prozesse brauchen viel Zeit, Angst und Sorge sind ernst zu nehmen, die Art der Kommunikation in und zwischen den Gemeinden ist entscheidend. Geblieben sind wichtige Erfahrungen, wesentliche Impulse und der mit dem Gemeindebriefpreis der Nordkirche ausgezeichnete „Schwarm 10“ in einigen Gemeinden der Region.

Sie fühlten sich oft am Rand der großen Nordkirche. Was erwarten Sie für dieses Gebiet von der Nordkirche?

Ich lernte, dass es in ländlichen Bereichen des Westens der Landeskirche ähnliche Herausforderungen gibt. Das Dezernat für den Dienst der Pastorinnen und Pastoren im Landeskirchenamt habe ich als aufmerksam und stärkend für die Personalsituation im Osten erlebt. Ermutigend ist auch die wachsende Aufmerksamkeit für die ländlichen Räume wie auf der Nordkirchensynode September 2015 unter dem Thema „Zukunft der Ortsgemeinde“. So könnten die Erprobungsregionen für uns wichtig werden. Vor allem das Vorhaben dieser Synode: „Die Landeskirche verbessert die Rahmenbedingungen für Anstellungs- und Pfarrdienstverhältnisse in ländlichen Räumen“ hat mich gefreut. Ich erwarte, dass es umgesetzt wird!

Was tut Kirche im Osten Mecklenburgs konkret, um Mitarbeiter zu halten?

Wir bemühen uns, Pfarrwohnungen und Pfarrhäuser gut zu sanieren. Wir versuchen, die Anzahl der Teil- und gesplitteten Stellen zu reduzieren. Es wird zunehmend an Strukturen gearbeitet, die die Gemeinschaft der Dienste auch auf dem Land ermöglichen. Wir kämpfen für Sekretariats- bzw. Verwaltungsstellen in Gemeinden oder Regionen. Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen!

Wo sehen Sie die Propstei in zehn Jahren?

Ich sehe viel weniger Gemeindemitglieder, große Gemeindeflächen, weite Wege und zahlenmäßig weniger Haupt- und Ehrenamtliche. Ich sehe nach wie vor Sorgen und Spannungen, weil Vertrautes gelassen werden muss. Trotzdem hoffe ich auf motivierte Haupt- und Ehrenamtliche, die sich in guter Gemeinschaft regelmäßig mit Zeit treffen – zum Gebet, zur Bibelarbeit, zur Weiterbildung, zum Austausch über die Situation und zum Feiern!

Eine letzte Frage: Was war Ihr schönstes Erlebnis als Pröpstin?

Als nach einer Konferenz zur Zukunft der Kirche mehrere Regenbögen am Himmel leuchteten.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 11/2016