Türen öffnen gegen die Vereinzelung Nach 25 Jahren nimmt Bernhard Kähler Abschied als Pastor in der Kirchengemeinde Carlow

Von Petra Haase

Bernhard Kähler ging auch mit Talar und Stola ins Wasser, um zu taufen.

Foto. Petra Haase

05.07.2015 · Carlow. Es gibt ein Foto, das erzählt sehr viel über ihn: Bernhard Kähler steht im Talar im See und tauft zwei Jugendliche. „Das ist scheiße kalt“, ruft der Junge. Der Dutzower See hat gerade mal 15 Grad, Pastor Kähler behält die Contenance, und er taucht die Teenies unter, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. An diesem Sonntag, 5. Juli, wird er verabschiedet.

Ob Taufe im See, Gottesdienst im Grünen, Fußballfeste in der Pfarrscheune, Rock’n’Roll an und in der Kirche oder Sechs-Gänge- Abendmahl vor dem Altar in Demern – Bernhard Kähler kann sich und andere für viele Ideen und Projekte begeistern. Er liebt es, mit anderen Menschen gemeinsam Neues zu gestalten, ausgetretene Wege zu verlassen. 25 Jahre lang prägte er das Leben in der Kirchengemeinde Carlow, am Sonntag nimmt er Abschied.

Der 1500-Seelen-Ort liegt am westlichen Zipfel Mecklenburgs nahe Lübeck. 1990 kam Bernhard Kähler mit seiner Frau und drei Söhnen dorthin, nach Studium und Vikariat in Jena und ersten Pfarrstellen in Schönwarder in der Uckermark und zur Wendezeit im Plattenbaugebiet Großer Dreesch in Schwerin. Anfang der 1990er Jahre war die Zeit der politischen und für viele Menschen auch der beruflichen Neuorientierung. Im Dorf mischten sich Alteingesessene mit Zugezogenen. „Mir war immer wichtig, dass wir als Kirche versuchen, offene Türen anzubieten, dass wir uns gegenseitig kennenlernen und nicht vereinzeln“, sagt Bernhard Kähler. Dazu trugen die lebendigen Gottesdienste bei, das abwechslungsreiche Gemeindeleben, in dem Musik immer eine zentrale Rolle spielte: ob klassische Konzerte, Klezmer, Benefizkonzerte zugunsten von Flüchtlingen oder in Not geratener Menschen der Region oder die Auftritte des Gemischten Chores Carlow, in dem Bernhard Kähler und seine Frau Gabriele 25 Jahre lang sangen.

Er hat das Dorf in die Kirche geholt

Und so ließ Kähler die Kirche nicht nur im Dorf – er holte das Dorf in die Kirche mit Veranstaltungen, die auch Nichtchristen ansprachen. Oder in die Pfarrscheune zum gemeinsamen WM-Gucken. Oder auf den Kirchplatz zu Theatervorführungen und Kirchfesten, bei denen Menschen der gesamten Region beteiligt waren. Als Propst, Mitglied im Gemeinderat, Kulturverein und anderen Gremien gestaltete er Entwicklungen mit, die über die eigene Kirchengemeinde hinauswirkten. „Großes Organisationstalent, Kontaktfreude und Bescheidenheit“, fallen Ilse-Dore Harms vom Kirchengemeinderat ein, wenn man sie zu Bernhard Kähler befragt. Und sein großes Engagement für die Sanierung der Kirchen in Carlow und Demern. Als eines der Pilotprojekte in Mecklenburg-Vorpommern erhielt die Carlower Kirche ein Solardach. Kirchturmuhr, Orgel, Glocke, Heizung – vieles wurde im Laufe der Zeit saniert und erneuert.

Und die mittelalterliche Petrikirche in Demern, zur Wendezeit noch in erbärmlichem Zustand, ist heute tipptopp saniert und beliebte Hochzeitskirche. Mit Hilfe des Fördervereins wurden Altar, Bemalung, Kanzel, Taufbecken, Orgel, Fenster, Turm – eigentlich alles bis auf die Mauern restauriert. Ein Schmuckstück, das Kähler besonders am Herzen lag und ihn auch künftig nicht ganz loslässt. „Er bleibt unser zweiter Vorsitzender“, sagt die Vorsitzende Karin Homann und dankt Kähler für „die Gottesdienste, die wir hören durften, für diesen Ort und die Zeit, damit wir hier ein wenig Ruhe genießen, aber auch neue Kräfte sammeln konnten. Dankeschön, dass wir uns auf neue Wege machen konnten.“

Neue Herausforderungen

Die neuen Wege, sie führen Bernhard Kähler nun nach Schwerin, zunächst in ein Sabbatjahr, dann in den Ruhestand. Wenn man so will, wieder ein Sprung ins kalte Waser, denn „bisher hatte ich täglich neue Herausforderungen zu meistern, ich musste und durfte immer gestalten. Aber nun warten sicher neue Herausforderungen auf mich“, sagt der 61-Jährige zum Abschied. Langeweile wird nicht aufkommen, Beschäftigung mit seinen Enkeln und das Singen im Chor der Paulsgemeinde geben dem neuen Leben bereits Struktur.

Wer ihm in Carlow nachfolgt, ist noch nicht gewiss. Ab Spätsommer könnte eine neue Pastorin/Pastor die Stelle übernehmen. Allerdings wird das Pfarrhaus zunächst umgebaut und voraussichtlich erst im Frühjahr 2016 bewohnbar sein. Doch Bernhard Kähler ist optimistisch, dass die Vakanzzeit keine Durststrecke sein muss. „Manchmal werden gerade dann neue Talente entdeckt.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 27/2015