Bugenhagenmedaille für Greifswalder Professorin Julia Männchen Mit Leidenschaft den Reichtum jüdischer Tradition vermittelt

Julia Männchen erhält am kommenden Sonntag die höchste Auszeichnung der Nordkirche für ehrenamtliches Engagement

Foto: R. Neumann

24.10.2016 · Greifswald. Für ihren Einsatz darum, die jüdische Kultur hierzulande bekannter zu machen und damit den christlich-jüdischen Dialog zu fördern, verleiht die Nordkirche Prof. Dr. Julia Männchen die Bugenhagenmedaille. Der Greifswalder Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit überreicht ihr die Urkunde am 30. Oktober um 10 Uhr in einem Festgottesdienst im Greifswalder Dom St. Nikolai.

Die Bugenhagenmedaille ist die höchste Auszeichnung der Nordkirche für ehrenamtliches Engagement. Bischof Abromeit begründet die Entscheidung: „Julia Männchen hat der evangelischen und besonders der pommerschen Kirche einen unschätzbaren Dienst erwiesen, weil sie von den siebziger Jahren bis heute die untrennbare Verbindung von Kirche und Israel ins Bewusstsein gerufen hat. Und das bereits zu einer Zeit, in der es in diesem Teil Deutschlands verpönt war, Israel zu würdigen. Sie hat die Lebendigkeit dieses Erbes erleben lassen und an die Schuld der Deutschen gegenüber den Juden erinnert. So hat sie Antijudaismus gewehrt und Antisemitismus gebrandmarkt.“

Gefallen an der Wissenschaft

Julia Männchen wurde 1939 in Dresden geboren. Ursprünglich zum Theologiestudium angetreten, um „die Kanzel zu stürmen“, wie sie erzählt, fand sie zunehmend Gefallen an der Wissenschaft. Ab 1968 unterrichtete sie an der Greifswalder Universität Hebräisch und Bibelkunde des Alten Testaments. 1980 fielen ihr beim Aufräumen in der Theologischen Fakultät verschiedene Schriftstücke und Exponate des Palästina-Experten Gustaf Dalman (1855 bis 1941) in die Hände: Hausgerätschaften, Pflanzen- und Gesteinsproben sowie rund 10.000 historische Fotografien. „Das war ein Glücksfall“, sagt Männchen. Sie ordnete das beeindruckende Vermächtnis und leitete in ihrem Ruhestand zehn Jahre lang bis 2014 ehrenamtlich das Dalman-Institut.

Seit den siebziger Jahren engagiert sich Männchen ehrenamtlich für den christlich-jüdischen Dialog, von 1998 bis 2005 war sie Vorsitzende des Greifswalder Arbeitskreises „Kirche und Judentum“. Das Hebräische habe bei ihr die Faszination für das Judentum geweckt, erzählt die Professorin: „Ich liebe diese Sprache, weil sie so anschaulich ist. Besonders mag ich die plastisch erzählten Texte des Pentateuchs. Ich schätze auch sehr den Propheten Jeremia, der kein Glaubensheld ist, sondern unter seiner Aufgabe leidet und Schmerzen hat. Mir war es immer wichtig, den Menschen die verschiedenen auch schwierigen Facetten der Beziehung zu Gott zu vermitteln, die das Alte Testament beschreibt.“

Erinnerung lebendig halten

Zu DDR-Zeiten sei es ihr darum gegangen, überhaupt von einer jüdischen Kultur zu erzählen. „Es gab zu der Zeit außer in Berlin kein jüdisches Leben, und wir durften selbstverständlich nicht nach Israel reisen. Ein bisschen war das also, wie ein Blinder von der Farbe zu erzählen.“ Ihr Hauptanliegen als Leiterin des Greifswalder Arbeitskreises „Kirche und Judentum“ beschreibt sie so: „Mir ging es darum, die Erinnerung an die Juden, die in unseren Gemeinden gelebt hatten, die Nachbarn und Geschäftsinhaber waren, ins Gedächtnis zu rufen und lebendig zu halten. Dabei sollten die Aktionen eine Ausstrahlung nach außen haben.“ So wie die jährliche Gedenkfeier um den Gedenkstein für die ehemalige jüdische Gemeinde in Greifswald, der auf ihr Betreiben hin Mitte der neunziger Jahre errichtet wurde. Oder die Filmabende im Greifswalder Kino, bei denen Filme gezeigt wurden, die sich mit dem Judentum und jüdischer Geschichte auseinandersetzen.

Julia Männchen erforschte intensiv das jüdische Leben in ihrer Stadt, das ab 1940 mit den Deportationen der Greifswalder Juden durch die Nazis zerstört worden war. Für die pommerschen Kirchengemeinden außerhalb von Greifswald stellte sie Materialien für Veranstaltungen am 9. November zum Gedenken an die Novemberpogrome von 1938 zusammen und unterstützte sie bei den Vorbereitungen. Ab 1998 organisierte sie Veranstaltungen am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (27. Januar) in Greifswald. Gemeinsam mit der Greifswalder Studierendengemeinde engagierte sie sich für die Verlegung der ersten „Stolpersteine“ in Greifswald durch den Künstler Gunter Demnig im Jahr 2008.

Quelle: Bischofskanzlei Greifswald/kmv