Vortrag Bischofskandidat Jeremias: Mauern in Kirche und Gesellschaft überwinden

Tilman Jeremias bei seinem Vortrag in Schwerin.

Foto: C. Meyer

21.02.2019 · Schwerin.

Der mecklenburgische Ökumene-Pastor Tilman Jeremias (Rostock), Kandidat für das Bischofsamt in MV, hat zur Überwindung von Mauern zwischen Menschen in Kirche und Gesellschaft aufgerufen. Es sei wichtig, einen klaren Standpunkt zu beziehen und zugleich möglichst angstfrei und offen miteinander zu reden, sagte der 52-jährige evangelische Theologe am Donnerstag bei seinem Vortrag in Schwerin. Äußere Mauern würden nur aufgrund der inneren errichtet. "Zwischenmenschlicher Mauerbau beginnt in der Seele."

"Lasst uns aufeinander zugehen, einladende, gastfreundliche Kirche sein, für die Menschen, mit ihnen", sagte der Theologe. Zudem müssten Christen selbst rausgehen aus den Kirchenmauern und aktiv werden für die Dörfer und Stadtteile. Die Wahl für die Nachfolge des Schweriner Bischofs Andreas von Maltzahn und des Greifswalder Bischofs Hans-Jürgen Abromeit als Bischof im Nordkirchen-Sprengel Mecklenburg und Pommern soll am 1. März im Greifswalder Dom stattfinden. Gegenkandidat von Tilman Jeremias ist der Dresdner Superintendent Christian Behr (58).

Vor 30 Jahren sei bei der friedlichen Revolution 1989 eine menschenfeindliche Mauer durch Gebete und Kerzen gefallen, sagte Jeremias. "So manche innere und äußere Mauern warten auch heute darauf, überwunden zu werden." Als ein Mensch, der sein halbes Leben in Westdeutschland und die andere Hälfte in den neuen Bundesländern verbracht hat, sei er vielleicht besonders sensibilisiert für die Mauer zwischen Ost und West.

Er erlebe regelmäßig, dass die Bundesrepublik im Osten einseitig mit Turbokapitalismus und den Fehlern der Treuhand nach der Wende identifiziert werde. Aus Westdeutschland erlebe er immer wieder eine eklatante Ignoranz gegenüber den Verhältnissen im Osten und insbesondere den erheblichen Leistungen der Menschen im Osten nach dem Umbruch sämtlicher Lebensverhältnisse 1989/90.

Nordkirche führt Ost und West strukturell zusammen

Aus kirchlicher Perspektive entdecke er oft wenig westliche Bereitschaft, die Situation der Kirchen in Ostdeutschland in einem völlig säkularisierten Umfeld wirklich wahrzunehmen. Die Nordkirche sei deswegen ein so gutes Projekt, weil sie Ost und West strukturell zusammenführe. "Alle Mauern in den Köpfen und Herzen fallen in sich selbst zusammen, wo Menschen aus neuen und alten Bundesländern einander begegnen und miteinander reden."

Ferner beklagte Jeremias, dass die Gesellschaft, speziell in Ostdeutschland, politisch tief gespalten sei. "Diese Mauern sind für mich geradezu körperlich spürbar gewesen bei den monatlichen Aufmärschen der AfD in Rostock im vergangenen Jahr." Es fehle oft an Räumen für ein differenziertes sachliches Gespräch. Orte der Begegnung und des Gesprächs seien ebenso wichtig wie Klarheit in der Sache. "Rassismus, Antisemitismus, Islamhass, Homophobie lehnen wir ab."

Auch innerhalb der Kirchen gebe es noch Mauern. Manchmal koste es schon Überwindung, mit den eigenartigen Leuten aus dem Nachbardorf gemeinsam Gottesdienst zu feiern. Mit den vermeintlichen Fundamentlisten aus den Freikirchen, aber auch mit den katholischen Christen gelte es, diverse Berührungsängste abzubauen. "In unseren Gemeinden selbst sind oftmals Milieugrenzen, Unterschiede zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen oder Fromm-Konservativen und Politisch-Progressiven schwer zu überwinden."

Tilman Jeremias wurde in Mainz geboren und wuchs in Gröbenzell (bei München) auf. Nach einem Jahr in einer Tagesstätte für psychisch kranke Kinder studierte er Theologie in München, Tübingen, Jerusalem und Leipzig. 1995 übernahm er die Pfarrstelle in Schwaan (bei Rostock). 2001 bis 2002 gehörte er zu den Sprechern des "Worts zum Sonntag". 2003 wechselte Jeremias in die Innenstadtgemeinde Rostock. Seit 2016 ist er Pastor für Mission und Ökumene. Jeremias ist geschieden und hat drei Kinder.

Die Bischöfe Abromeit und Maltzahn haben während ihrer Amtszeit in der Nordkirche den Bischofsbezirk (Sprengel) Mecklenburg und Pommern gemeinsam geleitet. Maltzahn wird Ende April 2019 aus dem Amt ausscheiden und ab Mai Studienleiter für Gottesdienst und Predigtlehre am Prediger- und Studienseminar der Nordkirche in Ratzeburg. Abromeit tritt im September 2019 in den Ruhestand.

Quelle: epd