Dr. Andreas von Maltzahn zur Jahreslosung 2014 Vom Glück des Glaubens

Singen macht glücklich: Kanon zur Jahreslosung für vier Stimmen von KMD i.R. Wolfgang Leppin, Güstrow

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05.01.2014 · Schwerin.

Vor einigen Jahren erzählte mir ein Arzt, dass er in seinem Urlaub einige Wochen in Indien die Ärmsten der Armen unentgeltlich behandelt habe. Ich fragte ihn, wie er das Elend ausgehalten habe, das ihm dort begegnet sei. „Das war schon schlimm“, antwortete er, „doch am meisten hat mich erschreckt, nach meiner Landung in Deutschland in die Gesichter der Menschen hier zu sehen – verschlossen, ernst, fast düster. In Indien war ich trotz aller Not zumeist umgeben von fröhlichen, offenen, ja, strahlenden Menschen.“

Was lässt ein Leben gelingen? Was macht Menschen glücklich? Gesundheit, Wohlstand, Gemeinschaft, Bildung – sie alle sind wichtig, garantieren aber noch nicht ein glückliches Leben. So hat die Frage nach dem Glück Konjunktur in unseren Tagen. Eine regelrechte Glücksforschung hat sich entwickelt. Auf dem Hamburger Kirchentag vertrat der Soziologe Hartmut Rosa die These: „Das Leben gelingt, wenn wir es lieben.“ Zwei Menschen könnten in ganz ähnlichen Situationen leben, aber für den einen bleibe die Welt stumm und grau, für den anderen habe sie Klang und Farbe. ‚Resonanzen‘ in der Beziehung zum Leben, zur Welt zu empfangen – darauf komme es an.

Dem entspricht eine wichtige Erfahrung: Die Gefahr des Ausbrennens, der Erschöpfung liegt zumeist nicht in der Arbeitsfülle, sondern im Gefühl fehlender Resonanz auf das eigene Tun. Dauerhaft nicht zu spüren, dass die eigene Arbeit etwas bewirkt, kann Menschen auszehren und ihnen den Schwung nehmen. Eine schlichte, tägliche Übung zur Wahrnehmung solcher Resonanzen kann das verändern. Sie besteht darin, den Tag abends noch einmal Revue passieren zu lassen und sich bewusst zu fragen: Wo sind dir Menschen freundlich begegnet? Wo haben dir Reaktionen anderer gezeigt, dass du ihre Sorgen mitgetragen hast?

Wer sich darin übt, kann eine Überraschung erleben: Während ihn bislang vor allem beschäftigt hat, was alles noch unerledigt ist, sind da auf einmal positive Erlebnisse des Tages gegenwärtig, die ganz unscheinbar geblieben waren – kleine Erlebnisse, die ihn spüren lassen: Da hat sich jemand gefreut über ein Telefonat oder einen Brief. Da war eine andere dankbar, dass sie ihre Sorgen aussprechen konnte.  

Da wurde ein Problem in Angriff genommen und wird nun an der richtigen Stelle bearbeitet. Das Lebensgefühl hellt sich auf. Denn man bekommt einen Blick für das, was bislang meist übersehen worden ist. Man spürt, dass das Leben und Arbeiten mehr Resonanz hat als zuvor wahrgenommen.

Auch die Jahreslosung für 2014 spricht vom Glück. Wenn der Beter des 73. Psalms bekennt: „Gott nahe zu sein ist mein Glück“, dann entspringt dieses Bekenntnis keiner lebenssatten Zufriedenheit. Vielmehr ringt der Psalmist mit dem Rätsel der eigenen Existenz: Er, der Fromme, Gott Zugewandte erfährt allerlei Mühsal und Anfechtungen. Menschen jedoch, die Gott fern stehen, ja, die seiner sogar spotten, freuen sich ihres Wohlergehens. Es scheint, als seien sie gesegnet. Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Fast trotzig hält der Beter an Gott fest: „Dennoch bleibe ich stets an dir … Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit, meines Herzens Trost und mein Teil.“

Aus dem Sich-Vergleichen mit anderen erwächst dem Psalmbeter kein innerer Frieden. Sich ganz und gar auf Gott zu konzentrieren, ‚sich zu verlassen‘ auf ihn hin – das lässt seine Seele Freude und Frieden erleben: „Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf Gott, den Herrn, dass ich verkündige all dein Tun.“

Hier findet einer sein Glück, indem er sein Vertrauen ganz in Gott setzt. Dieses Gottvertrauen gibt ihm die Kraft aus dem unfruchtbaren Vergleichen auszusteigen. Die eigene Zuversicht auf Gott zu setzen – das erst schafft in uns den Raum, der uns empfänglich macht für allen Segen, den unser Leben von Gott empfängt. Es bringt zum Klingen und Leuchten, wofür wir dankbar sein können. Mit einem Wort: Das Leben gelingt, wenn wir Gott lieben.

Der Autor ist Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Nordkirche mit Sitz in Schwerin.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 01/2014