Bischof von Maltzahn besuchte mit Studenten US-amerikanische Partnerkirche Von Amerika lernen heißt… ja, was?

Von Tilman Baier

Wie durch ein Wunder hat die Kirche neben dem World-Trade-Center die Zerstörungswelle vom 11. September 2001 überstanden. Auf ihrer Studienreise interessierte die Nordkirchen-Theologiestudenten hier vor allem die Trauerkultur der New Yorker.

Foto: privat

28.09.2014 · Schwerin. Zu einem Auswertungsgespräch ihrer Studienreise in die USA Anfang September mit dem Schweriner Bischof Andreas von Maltzahn hatten kürzlich Theologiestudenten der Nordkirche eingeladen. Zwar war der Bischof Opfer der Klimaanlage im Flieger geworden und erkrankt. Doch die Studenten hatten alles gut überstanden und erzählten sehr anschaulich von ihren Erfahrungen.

Paula Koch, Christian Pieritz und Jan Harten sind Studenten der Theologie, die später einmal in der Nordkirche arbeiten wollen. Sie gehörten zu den sieben Glücklichen, die für eine Reise in die Partnerkirche Süd- Ohio-Synode im mittleren Westen der USA ausgewählt worden waren. Zusammen mit Bischof Dr. Andreas von Maltzahn, Oberkirchenrat Dr. Matthias de Boor und Ökumene-Pastor Jens-Peter Drewes besuchten sie das Theologische Seminar in Ohio, waren in Kirchengemeinden und Gottesdiensten zu Gast und lernten im 9/11 Memorial-Museum in New York amerikanische Trauerkultur kennen.

Schon bei der Ankunft in den USA gibt es den ersten befremdlichen Eindruck: Wir sind in einem Überwachungsstaat gelandet. Überall auf dem Flughafen stehen Schilder mit dem Hinweis, auf der Hut zu sein und auffälliges Verhalten von anderen Passagieren zu melden.

Doch was den Norddeutschen zunächst paranoid vorkommt, findet seine Erklärung dann beim Besuch an der Stelle, wo sich bis zum 11. September 2001 die Zwillingstürme des World-Trade-Centers in New York erhoben. Hier, im 9/11-Memorial-Museum am Ground Zero können sie sich den bedrückenden Erinnerungen an die rund 3 000 Opfer der Anschläge nicht entziehen. Tausende Fotos mit kurzen Lebensläufen oder Erinnerungen der Familienangehörigen geben einen Einblick in ihr Leben, das so abrupt durch die Wahnsinnstat von Terroristen endete.

Christian Pieritz hat besonders beeindruckt, wie so die unfassbare Zahl der Opfer plötzlich Gesichter bekommt und ergreifend dicht rückt. Und Paula Koch erzählt, wie sie die Botschaften angerührt haben, die die Opfer ihren Angehörigen noch aus den Flugzeugen oder eingeschlossen in dem Inferno der brennenden Türme auf die Mailbox sprachen. Ein großer leerer Museumsraum, in dem nur ein altes Honda-Motorrad steht, ist Jan Harten besonders in Erinnerung geblieben. Ein Feuerwehrmann, der bei den Rettungsversuchen ums Leben kam, hatte in seiner Freizeit begonnen, es liebevoll zu restaurieren.

Wie stark die Anschläge das Selbstbewusstsein der US-Amerikaner und vor allem der New Yorker getroffen hat, erfährt die norddeutsche Gruppe vor allem durch Elke Bergholz. Die Lehrerin, die 1977 aus Neukloster in Nordwestmecklenburg in die USA kam, erzählt eindringlich von ihren persönlichen Erfahrungen damit: Ein Jahr hatte sie sich wie auch andere Mitglieder der deutschsprachigen lutherischen Gemeinde in Manhattan um die Arbeiter gekümmert, die die Trümmer der eingestürzten Türme beseitigten.

Engagement ist selbstverständlich

Im Mittleren Westen dann, in den Gemeinden und Einrichtungen der lutherischen Süd-Ohio-Synode, erleben sie eine anderes Facette der USA. Doch auch hier in der langjährigen Partnerkirche der Mecklenburger, die nun Partner der Nordkirche ist, ist das ehrenamtliche Engagement selbstverständlich. „Da wird nicht gefragt, OB man in der Gemeinde helfen kann, sondern WIE“, erzählen die Studenten begeistert.

Zum Beispiel Cincinnati: Dort hat die lutherische Kirchengemeinde kleine Häuser für bedürftige Familien errichtet. „Hope Houses“ – Hoffnungshäuser heißen sie nicht umsonst. Aber die Erfahrungen haben gezeigt, dass es nicht reicht, solche Hilfsprojekte anzuschieben und dann die Betroffenen allein zu lassen. Oft brauchen diese Familien auch Hilfe dabei, ihren Alltag zu strukturieren und das Haus instand zu halten. Darum haben sich Gemeindeglieder bereit erklärt, jeweils einen Nachmittag in der Woche sich um so ein Haus zu kümmern.

„Das freiwillige Engagement hat dort einfach eine ganz andere Geschichte und ist selbstverständlich“, ist das Summarium der Studenten. Gleichzeitig wird darauf geachtet, dass niemand überfordert wird. In einer Gemeinde gibt es eine Person, die sich nur darum kümmert, die jeweiligen Talente von Gemeindegliedern mit einem ganz konkreten und möglichst befristeten Aufgabenfeld zusammenzubringen. Sie haben dann eine Aufgabe, die klar umrissen ist – „auch die Dankbarkeit bekommen sie direkt zu spüren“, hat Paula Koch erfahren.

Ehrenamt ist auch in den Kirchengemeinden von Mecklenburg-Vorpommern ein großes Thema. Auch darum sollten die angehenden Pastoren die amerikanischen Partnergemeinden kennenlernen. Doch sie sind skeptisch, ob sich das, was sie dort erlebt haben, so einfach umsetzen lässt: Besonders Jan Harten, der aus Hamburg kommt, ist da skeptisch: „In Deutschland kommen die Gläubigen ja eher beobachtend in den Gottesdienst. Und sie zahlen Kirchensteuer, mit dem die Angestellten entlohnt werden. Darum meinen viele, das würde reichen.“

Die Praxis steht im Vordergrund

Auch das Studium der Theologie, wie es am Trinity Lutheran Seminary in Columbus betrieben wird, finden die Studenten interessant. „Hier wird vor allem Wert auf die Praxis gelegt“, erklärt Paula Koch. Die wissenschaftliche Ausrichtung, wie beim akademischen Theologiestudium in Deutschland, ist dort nicht so wichtig. Auch kann man bereits mit einem Bachelor-Abschluss, also nach einem Grundlagenstudium, als Pastor arbeiten. Zudem haben fast alle Studenten dort bereits einen anderen Berufs- oder Studienabschluss.

Zwar ist es gut, so meinen die Norddeutschen, wenn schon früh im Studium die Möglichkeit besteht, sich auch in der Praxis zu erproben. Doch auf ein wissenschaftliches, freies Studium wollen sie nicht verzichten. Auch Dr. Matthias de Boor, zuständig für die Theologenausbildung, ist nach dem USA-Aufenthalt skeptisch, ob man hier wirklich amerikanische Verhältnisse einführen sollte – so wie es das ja schon einmal hier gab mit der Ausbildung an den Prediger-Fachschulen. „Wir brauchen Menschen mit einer hervorragenden, auch wissenschaftlich fundierten Ausbildung“. Darum halten die Kirchen in Deutschland auch an dieser langen Ausbildungszeit fest – fünf Jahre Regelstudienzeit für die freie wissenschaftliche Ausbildung und zweieinhalb Jahre für das praxisbezogene Vikariat. Die Studenten nicken.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 39/2014