"Ein starkes und wichtiges Zeichen“ Landesbischof Ulrich erinnert an Gründung der Versöhnungsgemeinde vor 50 Jahren

23.10.2016 · Schwerin. Nordkirchen-Landesbischof Gerhard Ulrich hat am Sonntag in einem Festgottesdienst die Gründung der Schweriner Versöhnungsgemeinde vor 50 Jahren gewürdigt.

In seiner Predigt in der Versöhnungskirche in Schwerin-Lankow sagte Ulrich: „Diese Gemeinde und ihre Kirche haben ihren Namen bekommen, weil es um die Versöhnung Gottes mit seinen Geschöpfen geht. – Mitten in der Zeit des Kalten Krieges, mitten in der Zeit der Trennung und Unversöhnlichkeit war das ein starkes und ein wichtiges Zeichen: Wir wollen überwinden.“

Versöhnung sei oft ein langer Prozess, hob der Landesbischof hervor und erinnerte an den Kniefall von Bundeskanzler Willy Brandt 1970 am Ehrenmal für den Aufstand im Warschauer Ghetto. Er sei ein symbolischer Akt der Reue für die deutschen Verbrechen in Polen und eine Tat der Demut gewesen, die den Weg zu Neuanfang und Versöhnung eröffnet habe.

Ulrich weiter: „Ohne diesen Kniefall, ohne Leute wie Alexander Dubček, die Studenten in Prag, die sich 1968 mit bloßem Körper den Panzern in den Weg stellten; ohne Leute wie Lech Wałęsa im Polen der achtziger Jahre, die Opposition in der DDR – ohne sie alle hätte es keine Wende und wohl auch keine Wiedervereinigung gegeben. Sie haben gerüttelt an den Zäunen und Mauern, so dass sie eines Tages fallen konnten.“ Ulrich weiter: „Ich glaube, Willy Brandt und die vielen Brückenbauer vor und nach ihm waren Versöhner – und damit auch Namenspatrone dieser Gemeinde. Sie ließen die – angebliche – Realität der Freund-Feind-Schemata nicht so, wie sie waren.“

Aufgabe von Kirchengemeinden: Versöhnen der Verschiedenen

Der Landesbischof ging auch auf die aktuellen Veränderungen im Stadtteil wie im Land ein: „Flüchtlinge suchen Heimat bei uns, und gemeinsam werden wir vor vielfältige Herausforderungen gestellt. Es ist eine alte Aufgabe, die Kirchengemeinden schon immer hatten: einander anzunehmen, Unterschiede auszuhalten und zu versöhnen die Verschiedenen.“ Ulrich erinnerte an die Zeit der Gründung der Versöhnungsgemeinde, als neben dem Dorf Lankow das Neubaugebiet entstand: „Die Christen aus beiden Teilen mussten zusammenwachsen, so verschieden sie waren. Und sie wollten und sollten ein Zeichen sein in die Gesellschaft hinein: Versöhnung ist möglich!“

Auch heute dürfe eine Kirchengemeinde nicht für sich bleiben: „Für die christliche Gemeinde vor Ort heißt das: Leben zu teilen mit den Menschen, die im Stadtteil oder Dorf leben – von woher sie auch immer kommen. Reichtümer der kulturellen Vielfalt zu entdecken und damit verbundene Probleme konstruktiv anzugehen. Sich konkret zu engagieren dafür, dass die Lebenstemperatur hier stimmt, dass die Leute vor Ort nicht erfrieren in sozialer Kälte.“

Hintergrund

Im Jahr 1966 wurde die Versöhnungsgemeinde in Schwerin-Lankow gegründet. Ilse Margreth Kulow, die erste in Mecklenburg ordinierte Pastorin, war von 1972 bis Mitte der achtziger Jahre als Pastorin in Lankow tätig. Viele Jahre fand die Gemeindearbeit vorwiegend in Privatwohnungen statt, bevor 1999/2000 das Gemeindezentrum mit der Versöhnungskirche entstand. Ende 2003 vereinigten sich die Versöhnungsgemeinde und die bis dahin selbstständige Kirchgemeinde Neumühle. Einen hohen Stellenwert hat in Lankow die soziale Arbeit: Seit über zehn Jahren befindet sich dort eine Ausgabestelle der Schweriner Tafel.

Quelle: Nordkirche