Gott kommt als Flüchtlingskind in die Welt Schafft Raum in der Herberge!

Von Bischof Gothart Magaard

Herumgetrieben von den Mächtigen ihrer Zeit wurden Maria und Josef. So kam in Jesus Gott in die Welt als ein Flüchtlingskind. Das malte Pieter Brueghel der Jüngere in seiner „Die Volkszählung zu Bethlehem“.

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24.12.2014 · Schleswig.

„Mein Vater war ein Aramäer, dem Umkommen nahe …“ (5. Mose 26,5). So beginnt eines der ältesten Glaubensbekenntnisse der Bibel. Gemeint ist Jakob, der als „Fremdling“ mit seiner Sippe nach Ägypten zog. Der Grund war eine Hungersnot in Palästina. „Aber die Ägypter behandelten uns schlecht und bedrückten uns“, so heißt es weiter. Jakob und seine Leute mussten jede Arbeit annehmen, die sie bekommen konnten. Sie wurden zu Sklaven auf den Großbaustellen des Pharaos. Als Fremde wurden sie wenig geachtet, hatten Sprachprobleme, erlitten Gewalt durch ihre Ausbeuter. „Da schrien wir zu dem Herrn, dem Gott unserer Väter. Und der Herr erhörte unser Schreien und sah unser Elend, unsere Angst und Not.“ Damit begann der nächste Flüchtlingsstrom, nun wieder in Richtung Palästina.

Wir können die Bibel auch als Geschichte der Flüchtlingsströme lesen, wie wir sie täglich vor Augen geführt bekommen. Abraham und Sarah, das Volk Israel, Maria und Joseph: Immer wieder müssen Menschen aufbrechen oder fl üchten und ihr vertrautes Zuhause verlassen.

„Ein Flüchtlingskind. Auslegungen zu Lukas 2“: So war eine Dialogbibelarbeit zwischen Pinchas Lapide und Helmut Gollwitzer auf dem Kirchentag 1981 in Hamburg überschrieben. Nach Gollwitzer schildert Lukas in der Geburt des Königskindes Jesus den Besuch Gottes bei seinem Volk, der aber völlig anders verläuft als gewöhnlich: Keine Böllerschüsse, keine Bilder aus wohlgehütetem Hause. Stattdessen werde Jesus geboren wie ein Flüchtlingskind, ein Findelkind. Die ganze grausame Realität seiner Zeit spiegele sich hier. Nur wenig später müssen Maria und Joseph mit Jesus, dem neugeborenen Kind, aus Palästina nach Ägypten fl iehen, wie es Matthäus in seinem Evangelium erzählt. Weil sie bedroht sind durch Herodes, dessen Schergen das Kind töten sollen (Mt 2,13-15).

In diesem Jahr werden mir diese Aspekte der Weihnachtsgeschichte wichtig, weil ich sie mit den Flüchtlingen heute verbinde – zum Beispiel mit Neda, einem Mädchen aus dem Iran. In der zentralen Erstaufnahme-Einrichtung des Landes Schleswig-Holstein in Neumünster hat sie eine erste Zufl ucht gefunden. Sie ist allein hier, vermisst ihre getötete Mutter, ihren getöteten Vater. Minderjährige Flüchtlingskinder, zumal Waisenkinder wie Neda, brauchen unsere Zuwendung in besonderem Maße. Welche Erfahrungen werden sie bei uns machen? Wer schaut sie freundlich an, wer spielt mit ihnen, wer tröstet sie, wenn sie voller Sehnsucht nach ihren Eltern nachts nicht schlafen können?

„Die Nacht ist schon im Schwinden, macht euch zum Stalle auf…“ (Jochen Klepper), so nähern wir uns singend dem Geheimnis von Weihnachten. Wir lassen uns erfüllen, wir teilen die Freude und öff nen unsere Herzen füreinander auf vielfältige Weisen. Ich freue mich auch darüber, dass viele Menschen in Kirchengemeinden und Diakonie aktiv daran mitwirken, Flüchtlinge bei uns willkommen zu heißen. In unseren Dörfern und Städten gibt es zudem eine große Bereitschaft vieler Menschen zu helfen. „Wir haben selbst erfahren, wie es war, als Flüchtlinge hier anzukommen. Wie froh waren wir um jedes freundliche Wort, um jede Decke im kalten Winter“, sagte mir letztens ein älteres Ehepaar in einem Gespräch. Doch es sind nicht nur Einzelne, auch bei den politischen Institutionen im Land, in den Landkreisen und den Gemeinden gibt es beeindruckende Initiativen. Sie signalisieren Flüchtlingen wie Neda: „Du bist willkommen bei uns.“

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest, Ihr Bischof Gothart Magaard Bischof im Sprengel Schleswig und Holstein

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 51-52/2014