Wort zum Jahreswechsel 2016/2017 von Bischof Abromeit Das orientalische Christentum vor dem Untergang retten

Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit

Foto: kirche-mv.de/D. Vogel

31.12.2016 · Greifswald.

Natürlich haben wir genügend eigene Probleme, nämlich zwei Millionen Flüchtlinge, die in den letzten zwei Jahren nach Deutschland gekommen sind, und ein islamistischer Terror, der jetzt auch Deutschland erreicht hat. Dazu kommt eine unsichere Weltlage, bei der niemand weiß, wie es mit einem Präsidenten Trump in den USA und vielen Erfolgen der Populisten in Europa weitergehen wird. 2017 könnte uns allerdings mit einem Thema von solcher Tragweite konfrontieren, dass uns unsere Kinder und Enkel später einmal fragen: „Warum hat niemand geholfen? Warum hat die Welt zugeschaut, als das orientalische Christentum ausgelöscht wurde?“
 
Der Nahe Osten ist die Wiege des Christentums: Seit Jesus von Nazareth, seit 2000 Jahren leben dort Christen und war das Christentum dort ein bedeutender Faktor. Seit dem Aufkommen des Islam im 7. Jahrhundert haben es die Christen, die Gemeinden und Kirchen nicht leicht gehabt, aber sie hatten den Status einer geduldeten Minderheit. Damit sind die Christen gemeinsam mit anderen religiösen Minderheiten wie den Jesiden, den Mandäern und den Baha‘i die letzte Bastion gewesen, die den ganzen Nahen Osten vor einer monolithisch islamisch geprägten Kultur bewahrte.
 
Beispiel Ägypten: Von den 89 Millionen Ägyptern sind etwa zehn Prozent Christen. Seit Jahren werden diese Kopten immer wieder durch Islamisten bedrängt, ja sogar ermordet. Zuletzt wurden durch einen Brandanschlag auf die zentrale Kirche des koptischen Papstes in Kairo vor zwei Wochen 24 Menschen getötet. Viele Christen versuchen, das Land zu verlassen, um sich in Sicherheit zu bringen. Beispiel Syrien: Seit 2010 haben ein Viertel der vormals zwei Millionen Christen Syrien verlassen, aus Angst vor der Terrormiliz „Islamischer Staat“, die mit unvorstellbarer Gewalt Christen ermordet, verschleppt und foltert. Fast alle Kirchen und Klöster wurden zerstört.
 
Ebenfalls schlimm hat es den Irak getroffen. Innerhalb von 15 Jahren hat sich die Zahl von 1,2 Millionen Christen auf heute noch 250.000 verringert. Eine Nagelprobe auf die Zukunft der Christen im Irak wird die Situation in Mossul sein. Gerade ist die irakische Armee dabei, die Stadt vom „Islamischen Staat“ zurück zu erobern. Daran, ob vertriebenen Christen eine Möglichkeit eingeräumt wird zurückzukehren oder nicht, wird sich entscheiden, ob die im Irak verbliebenen Christen im Lande bleiben oder in den Westen auswandern. „Warum lasst ihr uns im Stich?“, fragten mich Bischöfe aus dem Irak bei einer Begegnung im Oktober 2015.
 
Warum gibt es keinen Aufschrei in der westlichen Welt? Warum tun wir nicht alles dafür, unseren ins Abseits gedrängten, diskriminierten und verfolgten Schwestern und Brüdern im Orient zu helfen? Müssten sich nicht alle, Regierungen, Menschenrechtsorganisationen und Kirchen mit moderaten Muslimen und jüdischen Organisationen zusammentun, um diesem Christozid im Orient Einhalt zu gebieten? Ich habe nicht den Eindruck, dass hier das Menschenmögliche getan wird. Eine Religion wird vertrieben, eine Kultur vernichtet und Menschen ihre Existenz entzogen. Vor unseren Augen.
 
Vielleicht ist der Mensch, so wie er ist, nicht in der Lage, von sich abzusehen und sich in die Situation der Christen im Nahen Osten zu versetzen. Vielleicht müssten wir dazu das „neue Herz“ und „den neuen Geist“ erhalten, von dem die Jahreslosung 2017 spricht: „Gott spricht, Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.“ (Hes. 36,26) Wir brauchen 2017 auch in anderen Fragen Mitgefühl, Erbarmen und den Mut, uns mit scheinbar Unveränderbaren nicht abzufinden.
 
Für 2017 wünsche ich uns allen, der Schicksalsfrage der orientalischen Christen nicht auszuweichen und das uns Mögliche zu tun. Ich wünsche allen ein gesegnetes 2017!

Dr. Hans-Jürgen Abromeit, Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern (Greifswald)


Info

Bischof Abromeit hält den Neujahrsgottesdienst der Greifswalder Gemeinden am 1. Januar um 17Uhr im Greifswalder Dom St. Nikolai.