BildgeschichtenZur Anbringung der Malflügel neben dem Hochaltarretabel von St. Georgen in Wismar

Das um 1430 entstandene Hochaltarretabel der Wismarer St. Georgenkirche ist mit zehn Metern Breite bei geöffneten Flügeln das größte seiner Art im gesamten Ostseeraum.

Im geöffneten Schrein thronen in der Mitte die Figuren von Christus und Maria umgeben von den Aposteln, Kirchenvätern und Heiligen in zwei Registern. Seit September 2008 kann man das prächtige Retabel nach langjähriger Restaurierung an seinem vorläufigen, leider sehr beengten Standort in der Südkapelle der St. Nikolaikirche in neuer Präsentation bewundern.

Unter der Leitung des Restaurators Andreas Mieth haben der Wismarer Gerüstbauer Marco Lenschow und zwei seiner Mitarbeiter dazu hinter dem Altar eine Konstruktion errichtet, an der die beiden schweren Malflügel in einer aufwändigen Aktion in ihrer ursprünglichen Position montiert wurden.

Das Gewicht der eichenen Flügel ließ eine Montage an den ursprünglichen Scharnieren an den Kastenflügeln nicht zu, da die eisernen Nägel im Eichenholz möglicherweise schon stark korrodiert sind. Es ist vorgesehen, künftig von Advent bis Ostern die Kastenflügel mit den Heiligenskulpturen soweit es die stark verzogene Predella zulässt, zu schließen, so dass in dieser Zeit die kostbaren Malereien mit Szenen des Marienlebens und der Passion auf den Außenseiten sichtbar sind. Erstmalig sind daneben wieder die beiden Malflügel mit Szenen aus dem Leben der Kirchenpatrone Georg und Martin von Tour innerhalb der Bilderwand erlebbar. Diese Flügel haben besonders gelitten, wovon große Fehlstellen in der Malschicht zeugen.

Bei der Restaurierung des Altars im Jahre 1881, bei der auch die Skulpturen im Schrein eine neue Fassung erhielten, waren die Fehlstellen in den Szenen frei ergänzt worden. Bei einer erneuten Restaurierung durch Leusch 1924 wurden diese Zutaten von 1881 wieder entfernt, was damals eine heftige Diskussion auslöste. 1927 kam es durch den Dresdner Wünsch zu einer weiteren Überarbeitung der Malereien.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde das geschlossene Retabel zusammen mit dem Triumphkreuz in der Georgenkirche als Luftschutzmaßnahme ummauert. In dieser Ummauerung musste das Kunstwerk in der Ruine der Georgenkirche bis zum Spätherbst 1953 ausharren. Bei Besichtigungen im Sommer 1953 war festgestellt worden, dass mehrfach Kinder in die enge Ummauerung eingestiegen waren und dabei besonders die Malerei im unteren Bereich der Predella beschädigt und mit den Attributen der Heiligenfiguren im Schrein gespielt hatten. Sogar Reste eines „Lagerfeuers“ wurden innerhalb der Ummauerung gefunden.

Das Institut für Denkmalpflege stellte in dieser Situation 3000 Mark für die Notsicherung des Altars bereit. Die Frage, wer für den Abbruch der Ummauerung verantwortlich sei, die Stadt oder die Kirche, drohte, die dringend notwendigen Arbeiten zu verzögern, aber im Herbst konnte man dann doch an den Abbruch der Ziegelwände gehen, und die Greifswalder Restauratoren Gustav Hoffmann (1883-1974) und Max Uecker (1887-1978) festigten noch vor dem Abtransport die durch die Feuchtigkeit in der Ummauerung stark angegriffene Malerei.

Das große Triumphkreuz musste vor dem Abtransport in Einzelteile zerlegt werden, wobei der Querbalken zerbrach. Allerdings war die Gefahr mit der Auslagerung keinesfalls beseitigt. Die Dresdner Kunsthistorikerin Sigrid Wiese, deren Vater den Altar 1925 fotografiert hatte, machte die Denkmalpflege 1955 auf die katastrophalen Lagerungsbedingungen in der Nikolaikirche aufmerksam. Es erfolgte eine erneute Sicherung der Malereien durch den Doberaner Henning-Hennings.

Auch in Zukunft wird es notwendig sein, das kostbare Retabel restauratorisch zu betreuen, um Schäden an der Malerei frühzeitig erkennen und beheben zu können, bevor es erneut zu unwiederbringlichen Verlusten kommt.

© Detlef Witt 2009