BildgeschichtenEin Leuchten geht vom Kind aus. Das Altarbild in der Dorfkirche von Alt Schloen

Manchmal finden Bilder erst die ihnen gebührende Wertschätzung, wenn sie in Museen gelangen. Losgelöst von ihrem ursprünglichen Kontext werden sie dann als Kunstwerke wahrgenommen und als solche auch (restauratorisch) behandelt.
Leider ist das manchmal so.

Das Bild der Heiligen Nacht des Niederländers Gerrit van Honthorst (1592-1656) fristete lange ein Schattendasein in den Kirchen von Pantlitz und Zarnekow, bis es als Original erkannt und sozusagen über Nacht berühmt wurde.

Heute kann man die Anbetung der Hirten aus der Pantlitzer Kirche als Leihgabe im Pommerschen Landesmuseum bewundern. Varianten des Gemäldes hängen u.a. in Köln und Florenz. Für die Kirchengemeinde, die das kostbare Original aus konservatorischen und Sicherheitsgründen abgegeben hat, ist eine Kopie in Arbeit.

Das Besondere an dem Bild ist das Leuchten, das vom Kind ausgeht und sich im Antlitz Mariens spiegelt. Dieses magische Leuchten in der Anbetungsszene hat es mit dem Altarbild in Alt Schloen gemein.

Alt Schloen liegt etwa 8 km nordöstlich von Waren. Die äußerliche Trutzigkeit des Feldsteinbaus, dessen ältesten Teile mit den frühgotischen Dreifenstergruppen noch aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammen, wird durch die geschweifte barocke Turmhaube etwas gemildert. Zu den Besonderheiten des Baus gehört ein im Sockelbereich der Chornordwand verbauter großer alter Mühlstein. Die Mittelstütze im Innern des Schiffes wurde nachträglich eingefügt, weil man wohl dem hohen Gewölbe nicht mehr traute.

Auf dem Altar steht ein filigran durchbrochener großer barocker Aufsatz, der dem Ornament nach ins erste Drittel des 18. Jahrhunderts zu datieren sein dürfte. Das Licht des dahinter liegenden Chorfensters bricht durch die Ranken aus Akanthusblättern und das Bandelwerk der Seitenwangen und der Bekrönung des Altarretabels.

Dargestellt sind als Hauptszene im Mittelfeld die Anbetung des Kindes, in der Predellenzone darunter Petri Fischzug, in den Medaillons der Seitenwangen Christus bei der Kreuztragung und als Guter Hirte mit dem Schaf auf der Schulter sowie ein drittes Mal im Aufsatz als Weltenrichter (im Dehio steht „Auferstehung“).Bekrönt wird das Ganze von der Skulptur eines Posaune blasenden Engels mit einem Palmzweig in der anderen Hand. Bei den beiden das Rundbild mit dem Weltenrichter flankierenden sitzenden Figuren handelt es sich offenbar um Evangelisten. Man könnte sich gut vorstellen, daß ehemals zwei weitere Evangelistenfiguren außen auf dem kräftigen Gebälk über dem Hauptgeschoss standen, welches von zwei mit Laubwerk belegten gedrehten Säulen getragen wird. Die Form der Säulen geht zurück auf die Säulen der Kathedra Petri in Rom, jedoch war diese Form um 1700 in Architektur und Möbelkunst allgemein verbreitet – es dürfte sich kaum um eine bewusste Rezeption handeln.

Greifswaldern wird das Mittelbild des Altars sehr bekannt vorkommen. Nicht in erster Linie wegen Gerrit van Honthorst´s Anbetung im Pommerschen Landesmuseum, sondern man wird an das Altarbild in St. Marien, der „Dicken Marie“, in Greifswald erinnert. Beide Altarbilder sind Kopien von Corregios berühmter „Heiliger Nacht“. Das Original, von dem Richard Hamann in seiner Kunstgeschichte schrieb: „Correggio hat mit ergreifender Lichtmagie die Heilige Nacht aus dem zarten Idyll in ein Wunder magischer Beleuchtung verwandelt.“, hängt in der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister. Der Maler, eigentlich Antonio da Allegri (um 1494-1534), ist nach seiner Heimatstadt Corregio östlich von Parma, über 1220 km von Schloen entfernt, benannt.

Seine Bilder gehören neben denen Raffaels zu den im 19. Jahrhundert meistkopierten. Während wir über den Schöpfer und die Umstände der Kopie in der Greifswalder Marienkirche sehr gut informiert sind – das Gemälde wurde 1806 von Friedrich August von Klinckowström geschaffen (ausführlich dazu Michael Lissok: Neuzeitliche Gemäldekopien von Werken Alter Meister in den Kirchen Vorpommerns. in: Wirklichkeit und Wunschbild. VIII. Greifswalder Romantikkonferenz, Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1998), will der Schöpfer der Alt Schloener Corregio-Kopie erst noch entdeckt werden.

© Detlef Witt 2006