Begegnung mit Flüchtlingsfamilien in der Kirchengemeinden wird von Bethanienstiftung unterstützt Zum Beispiel Hagenow

Von Katja Huenges

Gemeinsam unterwegs: Mit dem Kinderclub samt Eltern unterwegs im Schweriner Zoo.

Foto: Katja Huenges

04.10.2015 · Hagenow. Der Flüchtlingsstrom hat eine ungeahnte Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst, auch in den Kirchengemeinden von MV. Hagenow ist da ein Beispiel, das für etliche andere Gemeinden steht. Dort wurde bereits im Frühjahr ein internationaler Kinderclub eingerichtet und Schulpaten vermittelt. Lesen Sie Innenansichten einer Beteiligten.

Dunkelhaarige Kinder unterschiedlichen Alters sieht man jetzt einmal wöchentlich durch den Pfarrgarten in Hagenow rennen. Beim Spiel mit dem Schwungtuch lernen wir die Farben, beim Staffellaufen die deutschen Bezeichnungen für verschiedene Kleidungsstücke und beim Katz- und Mausspiel wird die Katze zu einem Monster, das sich austobt, indem es beim Rennen wütend durch den Garten brüllt. Bereits im Mai 2015 hatte ich als Sozialpädagogin zusammen mit drei ehrenamtlichen Helfern den Kinderclub für Flüchtlinge ins Leben gerufen. Die Asylbewerber in Hagenow sind überwiegend Familien mit kleinen Kindern aus der Ukraine, Afghanistan, Serbien und Tschetschenien.

Die Idee war eigentlich, den Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen. Aber schnell stellte sich heraus, dass die Grundschulkinder keine Hausaufgaben hatten und die Eltern alle auch mitkamen. Sie wollten nicht nur sehen, wo ihre Kinder sind und klären, ob sie als Muslime überhaupt kommen dürften, sondern sie saßen sowieso nur zuhause und freuten sich über etwas Abwechslung. Da es bis Ende August keinen Deutschkurs gab, übernahm ein Abiturient mit Russischkenntnissen kurzerhand die Aufgabe, auch den Eltern einige Grundlagen der deutschen Sprache zu vermitteln, während die Kinder draußen „Kopf, Schultern, Knie und Fuß“ singen. Der Eifer war groß und alle wollten lernen!

Am Anfang des Kinderclubs stand ein Treffen. Seit acht Jahren arbeite ich in der Kirchengemeinde Hagenow als eine aus Projektmitteln des Kirchenkreises bezahlte Sozialpädagogin zur Integration von Migranten. Ich hatte eingeladen, und acht interessierte Menschen vom Oberstufenschüler bis zum Rentner kamen und erfuhren von einer Mitarbeiterin der AWO Migrationsberatung vieles über die konkreten Lebensbedingungen und Bedürfnisse der elf Flüchtlingsfamilien in der Kleinstadt Hagenow.

Nun sind diese Helfer je nach Begabung und zeitlichen Möglichkeiten im Einsatz. Einige belebten ihre Russischkenntnisse und begleiten bei Arztbesuchen, Behördengängen und Schuluntersuchungen. Andere sind beim Kinderclub dabei. Das Angebot, Kinder beim Lernen zu begleiten, hat in der Hagenower Gemeinde schon Tradition. Seit fast acht Jahren gibt es das Schülerpatenprojekt, das Lernende mit und ohne Migrationshintergrund und ehrenamtliche Helfer zusammenbringt. Meist einmal wöchentlich trifft sich ein Helfer mit seinem Schüler und unterstützt beim Hausaufgabenmachen, vor allem in den Hauptfächern und in der deutschen Sprache.

Die langjährige Förderung durch die Stiftung Bethanien in Neubrandenburg ermöglicht es, dass ein kleines Fest zum Schuljahresende gefeiert wird und die Helfer eine Aufwandsentschädigung erhalten. Für die Schülerpaten ist es ein spannender Einblick in eine andere Kultur und das gute Gefühl, sich in zeitlich überschaubarem Rahmen sinnvoll einzubringen. Für die Schüler bedeutet diese Hilfe eine persönliche Zuwendung als Ermutigung zum Lernen und oft Ansprechpartner für alle möglichen Lebensfragen. Erfahrungsgemäß sind gerade bei Kindern aus Migrantenfamilien sehr schnell Fortschritte beim Lernen und Sprechen zu bemerken und das sind beglückende Erlebnisse für alle.

Nach einem schönen Sommerferienprogramm, dessen Höhepunkt eine Reise mit 16 Erwachsenen und 17 Kindern nach Schwerin in den Zoo war, geht es nun weiter einmal wöchentlich mit unserem Kinderclub, der eigentlich ein Familienclub ist. Die Erwachsenen werden langsam mutiger, mit Händen und Füßen zu kommunizieren und wir lachen über unsere schauspielerischen Einfälle. Es bleibt abzuwarten, ob mit Beginn des Deutschkurses die Erwachsenen noch kommen, zumal inzwischen fast alle Kinder einen Schul- oder Kindergartenplatz haben und die Familien viele Termine wahrnehmen müssen. Inzwischen sind die Familien miteinander bekannt und unterstützen sich auch gegenseitig. Wir versuchen, offen zu bleiben für die Bedürfnisse der Familien und das Angebot zu verändern je nach Bedarf. Wir freuen uns über schöne Begegnungen und merken, dass die Erwachsenen auftauen, wenn sie sehen, dass sich ihre Kinder wohlfühlen. Inzwischen überschlagen sich auch bei uns die Ereignisse und wir werden unser Projekt vermutlich nochmal ganz neu konzipieren, da wir nun eine Außenstelle der Gemeinschaftsunterkunft in der Stadt haben. Wir lassen uns überraschen, was wir noch miteinander erleben werden. 

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 40/2015