Kirchenvertreter sind entsetzt, die Behörde betont: Alles legal Aus Klinik abgeschoben

Von Sybille Marx

„Unter Flüchtlingen im Asylbewerberheim geht jetzt die Angst um“, sagte Pastor Michael Mahlburg auf der Pommerschen Kreissynode in Züssow.

Foto: S. Marx

22.03.2015 · Greifswald. Ein afghanischer Flüchtling ist vor zehn Tagen aus der Psychiatrie in Greifswald geholt und abgeschoben worden. „Erbärmlich“, meint die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche.

Was vor etwa zehn Tagen in einer psychiatrischen Klinik der evangelischen Johanna-Odebrecht- Stiftung in Greifswald passiert ist, hat unter Kirchenvertretern in MV Empörung ausgelöst. Bundespolizisten holten einen afghanischen Flüchtling nachts aus der stationären Behandlung und schoben ihn nach Belgien ab. „Es ist erbärmlich, wenn Kranke sich in deutschen Krankenhäusern nicht mehr sicher fühlen können“, sagt Dietlind Jochims, die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche. „Wir sind empört und entsetzt und werden Rechenschaft darüber verlangen, ob das recht und verhältnismäßig ist.“

Pommersche Synodale hatten die Expertin alarmiert, nachdem der Greifswalder Pastor Michael Mahlburg den Fall auf der Kreissynode am Sonnabend in Züssow bekannt gemacht hatte. Auf seine Initiative hin erklärten die rund 60 Synodalen in einem Beschluss, sie seien besorgt, der Fall müsse geprüft werden. Laut Jochims läuft inzwischen eine Anfrage ans Innenministerium, gestellt vom Regierungsbeauftragten der Nordkirche für MV.

Von den Behörden auf Kreisebene kommt Widerspruch. Der Sprecher des Landkreises Vorpommern- Greifswald betont, es sei alles nach dem geltenden Dublin II-Abkommen abgelaufen, auf Geheiß des Landesamtes für innere Verwaltung, und: so human wie möglich. Dass der Patient in den frühen Morgenstunden geholt wurde, habe rein organisatorische Gründe. „Er sollte um 14 Uhr in Brüssel bei den belgischen Behörden sein, danach mussten wir uns richten.“ Dass der Mann reisefähig sei, habe zudem ein Amtsarzt bestätigt. Ein weiterer Arzt habe im Flugzeug neben dem Patienten gesessen. Ein dritter sollte ihn in Belgien in Empfang nehmen. Und: Die behandelnden Ärzte aus der Odebrecht-Stiftung hätten die Entlassungspapiere unterschrieben.

Auf der Kreissynode in Züssow hatte der Greifswalder Pastor Michael Mahlburg noch betont, die Abschiebung sei gegen den Willen der behandelnden Ärzte passiert, das habe ihm Martin Wilhelm als Vorsteher der Johanna-Odebrecht-Stiftung bestätigt. Wilhelm selbst erklärte nun, er könne und dürfe zu dem ganzen Fall nichts sagen. Auch der Geschäftsführer des Evangelischen Bethanienkrankenhauses, in dem der Flüchtling in Therapie war, schweigt – mit Verweis auf die Asylgesetze und die ärztliche Schweigepflicht.

Die Greifswalder Ärztin und Synodale Sibylle Scheler, Herzspezialistin in Karlsburg, zeigte sich auf der Kreissynode höchst irritiert: „Wenn jemand stationär aufgenommen wird, ist er ernsthaft krank, davon kann man bei den restriktiven Regelungen der Krankenkassen ausgehen“, sagte sie. Ähnlich sieht es Jochims. „Diese Abschiebung hat fatale Auswirkungen auf andere Patienten“, fürchtet sie zudem. Wer als Flüchtling mit prekärem Status in eine Klinik komme, könne sich dort nun nicht mehr sicher fühlen. „Gerade in der Psychiatrie ist der Schutzraum doch so wichtig für‘s Gesundwerden.“ Dass die Behörden diesen Raum angriffen, sei dramatisch. „Warum können sie nicht wenigstens warten, bis ein Patient als vorerst geheilt gilt?“

Ihrer Schilderung nach hat das Landesamt nicht zum ersten Mal so entschieden. Vor etwa drei bis vier Wochen sollte eine Frau aus einer Psychiatrie in Stralsund abgeschoben werden, erzählt sie. „Damals ist es anders ausgegangen: Die Familie lebt jetzt im Kirchenasyl.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 12/2015