Pastorin Anja Fischer zum Zwischenruf von Dr. GorskiDiskussion: Die Taufe – auch gültig ohne Glaube?

30.03.2013 | Alt Meteln.  Lieber Vorsitzender der Theologischen Kammer der Nordkirche Herr Dr. Gorski,

anlässlich Ihres „Zwischenrufes“ in der Kirchenzeitung vom 2. März, in dem Sie dem - von Ihnen so genannten - „Leitenden Cheftheologen des Protestantismus in Deutschland“ Thies Gundlach vorwerfen, er habe sich „Etwas vergaloppiert“, wenn er von der Wirksamkeit des Sakraments „ex opere operato“ spreche, möchte ich – als Stimme aus der PastorInnenschaft - an die Worte Martin Luthers in seinem Großen Katechismus erinnern:

„wenn das Wort bei dem Wasser ist, so ist die Taufe recht, auch wenn der Glaube nicht dazu kommt. Denn mein Glaube macht nicht die Taufe, sondern empfängt die Taufe. Nun wird die Taufe dadurch nicht unrecht, wenn sie auch nicht recht empfangen oder gebraucht wird, da sie ja, wie gesagt, nicht an unseren Glauben, sondern an das Wort gebunden ist.“ (BSLK 822)

Luther unterscheidet hier zwei Dinge: 1. Die Gültigkeit des Sakraments absolut unabhängig von der Verfasstheit des Austeilenden – und 2. seine Wirksamkeit absolut unabhängig von der Verfasstheit des Empfangenden.

Zu 1: Die Taufe ist „recht“ allein durch Gottes Wort, das zum Element des Wassers hinzukommt. Im seinem „Bekenntnis“ von 1528 weist Luther sogar darauf hin, dass nicht einmal der Taufende selbst gläubig sein muss, um die Taufe gültig zu vollziehen (WA 26,288,14ff). Es ist Gott allein, der hier mit seinem Wort am Werke ist.
Den Begriff „ex opere operato“ haben Sie, nicht Herr Gundlach, hier eingeführt. Herr Gundlach spricht vom rechten Handlungsvollzug, durch den das Sakrament gilt. Damit ist die rechte Einsetzung des Sakraments als „Wort bei dem Wasser“ gemeint – und dies könnte der Intention nach durchaus mit der altkirchlichen Entscheidung im Ketzerstreit im 3. Jh. auch als „ex opere operato“ interpretiert werden. Damit ist ja lediglich die Gültigkeit und Wirksamkeit der Austeilung des Sakraments gemeint – über den Glauben des Empfangenden wird damit nichts gesagt! Insofern halte ich Ihre Behauptung aus lutherischer Sicht für unpassend, es sei ein „mechanistisches Verständnis“, „wonach die Sakramente auch ohne Glauben und unabhängig vom Empfangenden wirken.“ Um noch einmal Luther selbst zu zitieren: Ein Sakrament, das abhängig vom Empfangenden wäre, wäre „ein Glaube, der die Taufe macht“ - gegen diese Logik der „Schwärmer“ – hat Luther sich vehement gewehrt! Als lutherische Kirche dürfen und müssen wir deshalb verkünden: Ja, es wirkt auch ohne Glauben, denn hier ist Gott selbst mit seinem Wort am Werke – und dieses Wort ist eben nicht nur „heisselwort“, sondern „thettel wort“ (WA 26, 437, 20f) – es tut, was es verheißt! Abgesehen davon, dass der Verfasser des Augsburger Bekenntnisses, auf das Sie sich berufen, nicht Luther selbst, sondern Melanchthon ist, kann ich Ihre Interpretation aus den Artikeln 13 und 24 nicht herauslesen.

Zu 2: Wo nun kein Glaube beim Empfangenden spürbar ist, darf deshalb die Wirksamkeit des Sakramentes nicht in Frage gestellt werden. Luther möchte nicht darüber spekulieren, ob und warum der Glaube sich bei manchen Menschen einstellt und bei anderen scheinbar nicht. Dass manche Menschen keinen Glauben verspüren, stellt die Wirksamkeit des Wortes Gottes im Sakrament nicht in Frage. Auch wenn Ihr theologischer Zwischenruf zu dieser Thematik vielleicht nur ein Nebenschauplatz Ihrer Kritik an Herrn Gundlach zu sein scheint – für unsere lutherische Kirche ist dies sicher kein Nebenschauplatz, sondern Zentrum und Quelle unserer Verkündigung und Praxis. Weil wir radikal an die Wirksamkeit des Wortes Gottes in den Sakramenten glauben, taufen wir Säuglinge. Wenn wir diese Radikalität ernst nähmen, dann könnten und müssten wir – wie es nicht nur die orthodoxen Kirchen, sondern auch die schwedische Kirche und die österreichische Kirche (A.B.) bereits tun – nicht nur die Taufe, sondern auch das Abendmahl für Kinder – ohne Altersgrenze nach unten - öffnen, und zwar nicht nur als Ausnahme, wie es die Leitlinien der VELKD immer noch suggerieren, sondern als grundsätzliche Einladung für alle Getauften. Ihr „Zwischenruf“ lenkt von dieser Radikalität des Lutherischen Sakramentenverständnisses nicht nur ab, sondern stellt sie auch in Frage. Dass die ehemalige Pommersche Kirche ein anderes, ein uniertes und explizit symbolisches Taufverständnis hat, sollte dabei selbstverständlich nicht vergessen werden. Als Pastorin der Nordkirche mit rheinischer Herkunft halte ich es für wichtig, diese Unterschiede angesichts der undurchsichtigen Praxis der verschiedenen Konfessionskulturen innerhalb unserer Kirche transparent zu machen, und – um der Ökumene willen – den Schatz des lutherischen Denkens gerade angesichts der Vielfalt der Interpretationsmöglichkeiten wieder neu zu bergen. Anders als im calvinistischen Denken besteht die Originalität Luthers ja, mit den Worten Joachim von Soostens gesagt, in der Performativität der sakramentalen Sprache: „Die Sprache verwandelt alles, was sie berührt (…), die verwandelnde Kraft der Sprache verweist auf die Macht der Sprache. In den Sakramenten verbindet sich die Sprache mit den Elementen und schafft damit eine leibliche Präsenz im Sinne einer „leibseelischen Erfahrung“, die dem Menschen vor jeder Deutung widerfährt. Hier liegt der Unterschied zu dem Geist einer Bedeutungskultur, dem es um geistliche als „geistige“ Erleuchtung geht und für den die leibliche Präsenz Christi als symbolische Realität gilt. „In dem Einsatz von Rhetorizität, Performativität und Responsivität zur Verteidigung eines Präsenzgeschehens namens ‚Abendmahl‘ begegnet uns ein anderer Luther als der der neuprotestantischen Gewissensreligion.“
(aus: J. v. Soosten, Präsenz und Repräsentation, in: Korsch, D. (Hg.), Die Gegenwart Jesu Chisti im Abendmahl, Leipzig 2010, 99-122; vgl. A. Fischer, Präsenz oder Repräsentation? Ein Versuch zur Deutung lutherischer Konfessionskulturen diesseits und jenseits der Ostsee, in: H. Theißen/M. Langanke (Hg.),Tragfähige Rede von Gott. Festgabe für Heinrich Assel zum 50. Geburtstag am 9. Februar 2011, 117-133.)

Anja Fischer, Pastorin (z.b.V.) in Alt Meteln, Cramon, Groß Trebbow, Kirchenkreis Mecklenburg