Kirchenälteste und Landpächter der Propstei Demmin trafen sich zum Gespräch Von Heiligem Geist auf verpachtetem Land

Die Ernte hat begonnen. Die Bauern in MV starten in eine neue Saison. Viele Pachtverträge enden und mancher Kirchengemeinderat steht neu vor der Entscheidung: Wen nehmen wir als Pächter?

Foto: C. Senkbeil

13.07.2014 · Beggerow. Nachhaltigkeit. In der Bibel kommt das Wort nicht vor. Und doch ist es einer der am meisten bemühten Begriffe rund um die Bewahrung der Schöpfung. Aus drei Richtungen näherten sich Kirchenälteste und Pächter dem Phänomen am vergangenen Wochenende in Beggerow bei Demmin an: aus wissenschaftlicher, theologischer und schließlich praktisch angewandter Sicht. Ein Dialog zwischen den Fronten begann, der sich auf andere Kirchenkreise ausweiten soll.

Es war ein sichtlich erleichterter Propst Gerd Panknin, der am Sonnabend Nachmittag (5. Juli) die Auftaktveranstaltung der neuen Reihe „Zukunftsdialog – Nachhaltigkeit und Landwirtschaft“ beendete. „Ich habe ein sachliches und lebendiges Aufeinanderzugehen der Teilnehmer erlebt und das erfreut mich.“

70 Kirchenälteste und Kirchenlandpächter waren der Einladung der Propstei Demmin gefolgt – und sie wirkten zufrieden mit dem Tag. Drei impulsgebende Referate rund um das Thema Nachhaltigkeit hatten Diskussionen in kleineren Plenaren entfacht. Und zwar nicht kirchenintern oder unter Menschen, die ohnehin die gleiche Meinung vertreten. „Wir hatten sowohl Pächter als auch Verpächter in unserem Kreis, konventionell wirtschaftende Bauern, aber auch Ökobauern und Mitglieder von Umweltinitiativen – eine ausgewogene Mischung“, so Panknin.

Verschiedene Interessengruppen saßen also mitten auf dem Lande im Spartenheim der Kaninchenzüchter zusammen. „An einem Tisch“, wie die Veranstalter deutlich betonen. Anders als noch im März, als Ulrich Ketelhodt vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt der Nordkirche zu einer Tagung nach Verchen eingeladen hatte, die die industrielle Tierhaltung fokussierte. Allerdings nur von einer Seite, wie viele konventionell wirtschaftende Bauern der Umgebung fanden – die weder geladen noch gehört wurden. Nur Vertreter aus Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen referierten.

Veranstaltung der Nordkirche sorgt für Empörung

„Aber wo bleiben wir?“, fragten sich Bauern, die sich vor den Kopf gestoßen fühlten, auf eine Stufe gestellt mit Großanlagenbauern wie in Alt Tellin. „Wir ganz normalen Bauern tragen doch die Kirche hier auf dem Land.“, war in Pausengesprächen zu hören. „Diese voreingenommene Veranstaltung der Nordkirche hat die Empörung unseres gesamten Berufsstandes auf den Plan gerufen“, erläutert Landwirt Peter-Heinrich Rabe seine Motivation, einen anderen Dialog mit zu initiieren.

Sein eigenes Stallbauprojekt für 6 000 Schweine (in Alt Tellin wurden 250 000 genehmigt) wurde abgelehnt. Auch dies ein Problem schlechter Kommunikation, seiner Ansicht nach. „Wir brauchen dringend einen vernünftigen Dialog zwischen Landwirten und der Öffentlichkeit“, sagt der seit 1992 in Schwichtenberg Ansässige.

Propst Panknin unterstützte diesen Wunsch. „Wir wollen keine Fronten aufmachen“, sagt er. „Wir befürworten zwar den weiteren Ausbau ökologischer Bewirtschaftung, trotzdem müssen wir differenzieren und dürfen nicht jeden Landwirt mit über hundert Tieren verurteilen“, so der Propst. Doch wo treffen Kirche und Landwirtschaft in der realen Welt eigentlich zusammen?

Der pommersche Kirchenkreis (PEK) verfügt über einen Löwenanteil Pachtland. Nordkirchenweit gibt es 55 000 Hektar Land zu verpachten, 22 000 Hektar davon liegen im kleinen PEK. Somit ist Kirche hier eine Art Gralshüter – ein wichtiger Anbieter von landwirtschaftlicher Nutzfläche. „Viele Pachtverträge laufen jetzt aus“, sagt Panknin. „Und die Kirchenältesten stehen wieder vor der Entscheidung, an wen sie ihr Kirchenland nun geben.“

Da sollten sie natürlich wissen, was sie tun. Gerade in den letzten Jahren ist diese Frage immer häufiger zum Streitapfel geworden: Nach welchen Richtlinien soll Land denn an Pächter weiter gegeben werden? Mancherorts fühlen sich Pächter geschnitten, wenn alte Verträge nicht verlängert werden. Und die Verpächter, sprich Kirchengemeinderäte, sind unsicher geworden, von welchem Aspekt ihre Entscheidung getragen sein soll. Nur vom ökologischen? Oder auch vom wirtschaftlichen? „Gibst du dem einen Bauern Land, fühlt sich der andere auf den Schlips getreten“, beklagt Arno Fimmel aus Wusterhusen.

„Öko ist im Landbau wie der Porsche unter den Autos: chic, aber sehr ressourcenaufwendig“

Drei Vorträge sollten an diesem Vormittag im Spartenheim allen Beteiligten Informationen liefern, die für ein Gespräch hilfreich sein könnten. „Damit nicht nur vorgefasste Meinungen hin und her gereicht werden“, so Ralf Ott, der als Ortspastor von Beggerow Gastgeber war. Vorträge, die nicht ohne Zündstoff waren, wie etwa der von Harald von Witzke, Professor am Albrecht-Daniel- Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität Berlin. Er sprach über den Wert der modernen Landwirtschaft für die Gesellschaft und die nachhaltige Sicherung der Welternährung aus mecklenburg- vorpommerscher Sicht.

An eindrücklichen Zahlen des statistischen Bundesamtes erläuterte er, wieviel Land Deutschland eigentlich indirekt einführt, nämlich mit Kaffeebohnen, Ananas und Co. „Virtueller Landimport“, so der Fachbegriff. „Zwischen 1999 und 2008 haben wir uns da nochmal eine Fläche von der Größe Ungarns einverleibt“, so der Professor. Damit ist Deutschland Spitzenreiter in Europa. „Das war neu für mich, wie sehr wir auf Kosten von landwirtschaftlicher Nutzfläche außerhalb Europas leben“, sagt Ott. Diesen Landüberschuss einzudämmen müsse unbedingtes Ziel sein, auch im Hinblick auf wachsende Nahrungsbedürfnisse durch die Zunahme der Weltbevölkerung. Mit ökologischem Landbau sei es nicht möglich, alle satt zu bekommen, so der Agrarforscher. Eben aufgrund seiner Inanspruchnahme zu großer Flächen: „Öko ist im Landbau wie der Porsche unter den Autos: chic, aber sehr ressourcenaufwendig“.

Eine Provokation. Und prompt scharten sich auch die meisten Diskussionsfreudigen in die Plenargruppe um ihn, moderiert von der Stralsunder Pröpstin Helga Ruch. „Hier wird Meinung als Wissenschaft getarnt“, kam Protest aus dem Plenum. „Untersuchungen zeigen auch, dass eine Stabilität des Bodens nicht durch erdölbasierte Monokulturen zu erreichen ist.“

„Aber Dünger ist doch eine Errungenschaft“, so ein anderer Bauer. „Man traut sich ja schon gar nicht mehr, neueste Entwicklungen auszuprobieren, weil es gleich Proteste hagelt.“ Moderne, hochproduktive, innovative Landwirtschaft sei die einzige Alternative, meint von Witzke. Ein klares Ja zu Gentechnik und vor allem Forschung.

"Nicht einfach, Position zu beziehen“

Auch Frustrationen über EU-Förderpolitik hatten in dieser Runde Platz, wenngleich auch hier soviel Für und Wider erwogen wurde, dass zwei Erkenntnisse sich deutlich herausschälten. Erstens: Der Redebedarf über all diese Fragen ist enorm. Und zweitens: „Die Thematik ist so komplex, dass es für uns nicht mehr zu überblicken ist und nicht einfach, Position zu beziehen“, so Matthias Bartels.

Um so wichtiger die Thematik, die in seiner Plenargruppe diskutiert wurde. Der Kirchenrat vom Regionalzentrum für kirchliche Dienste in Greifswald hatte über die theologische Spannweite des Begriffs „Nachhaltigkeit“ referiert, der in der Bibel so ja nicht vorkommt. „Die Frage nach dem entweder ‚Bio’ oder ‚Effizienz’ lässt sich theologisch nicht entfalten“, sagt Bartels. Dennoch fände sich im Kleinen Katechismus eine ganzheitliche Auffassung der Schöpfung: Luther stelle alle Kreaturen auf die Stufe des Menschen, und der Heilige Geist wirke als Bewahrer der Schöpfung. "Die Nachhaltigkeit aus theologischer Sicht ist also Wirkung des Geistes Gottes", fasste Bartels zusammen. Und das Wesen des Geistes Gottes sei es, Gemeinschaft zu stiften. Laut Bartels bedeutet das: „Nachhaltigkeit ist nicht nur eine biologisch-ökologische Kategorie, sondern eine soziale.“ Damit stünden alle Handlungen und Entscheidungen, die nicht sozial nachhaltig sind, unter dem Verdacht, geist-los zu sein. „Wenn (land)wirtschaftliche Handlungen und Entscheidungen nicht berücksichtigen, welche Auswirkungen sie für die Gemeinschaft vor Ort und in der Region haben, dann wird man sie also nicht als nachhaltig bewerten können.“.

„Wenn man diese Gedanken noch mehr mit in unsere Diskussionen einfließen lassen könnte, dann hätten wir viel gewonnen“, fasst Ott zusammen, der mit dem Ausgang dieser ersten Tagung aber sehr zufrieden ist. „Die Gemeinschaft des Heiligen Geistes ist das wichtigste“, betont er: „Dass wir ein Miteinander in unseren Dörfern pflegen, ein wirkliches Zusammenleben, trotz aller verschiedenen Meinungen“.

Dass diese Veranstaltung ein erster großer Schritt dazu war, darüber schienen sich am Ende alle einig. „Es gab in der Vergangenheit einige Versäumnisse in der Kommunikation“, sagte Mitinitiator Jasper Freiherr von Maltzan Vanselow: „Darum hoffe ich, dass es weitere solche Veranstaltungen gibt.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 28/2014


Noch mehr Richtlinien?

Die Vergabe von Pachtverträgen obliegt dem Kirchengemeinderat. Eine Überforderung?

Es war das Referat über die theologische Sicht auf „Nachhaltigkeit“, das im kleinen Plenar schnell zu einer Diskussion darüber führte, wie die Sache mit dem Heiligen Geist nun am praktischen Ende der Verkündigung zu handhaben sei. Nämlich: bei den Kirchengemeinderäten. Welche Verantwortung haben sie denn nun bei der Vergabe von Gottes guter Erde, also der Pachtverträge? Welche Richtlinien sind verbindlich? Und: brauchen wir mehr Richtlinien, über den Muster- Rahmenpachtvertrag hinaus, den alle Gemeinden vom Kirchenkreis in der Schublade haben? „Bloß nicht“, meinen manche. „Nicht noch mehr.“ „Andererseits ist es natürlich keiner Gemeinde verboten, genaue Bedingungen zu benennen, unter denen Land verpachtet wird“, fasst Mitinitiator von Maltzan aus Vanselow zusammen.

„Wir haben das in unserer Gemeinde gemacht“, sagt Andreas Wenzel, Biogärtner aus Gülzowshof. „Wir haben gesagt, Bedingung für die Verpachtung ist, dass eine Vierer- Fruchtfolge eingehalten wird, um die Böden vor dem Auslaugen zu schützen.“ Eine Dreierfruchtfolge schließlich wurde festgeschrieben. Immerhin. „Ich finde, als Mitglied im Kirchengemeinderat muss ich die Leute auch schützen“, sagt er und erzählt von seinen Sorgen. „Wir verpachten viel Land an konventionellen Landbau. Wir haben in der Gemeinde eine Frau, deren Onkel bedient die Giftspritze (also er ist Spritzenfahrer für Pflanzenschutzmittel, Anm.d.R.). Er trinkt keinen Tropfen und seine Leber ist trotzdem groß wie eine Säuferleber. Wenn sie mich fragt: ,Was macht ihr da eigentlich in eurem Kirchenrat?’, wie geht man damit um?“

„Ich finde, Pachtangelegenheiten werden viel zu oberflächlich behandelt“, meint auch Johannes Söder aus Rakow im Pausengespräch. „Was der Herr tut, ist wohlgetan, und alle stimmen ab.“

Dass ein genaues Hinschauen funktioniert, da hat auch Bauer René Marquart seine Zweifel. Seine Befürchtung ist, dass vielen Kirchenältesten diese Zusammenhänge gar nicht klar sind. „Wir entscheiden da über Riesenflächen und wissen gar nicht, was das überhaupt nach sich zieht.“

Selbst kommen konnte der Bauer aus Groß Ernsthof zur Veranstaltung nicht: „Unsere Weizenernte hat begonnen, da kann ich keinen Tag gutes Wetter verstreichen lassen“, sagt das Gemeinderatsmitglied aus Kröslin. Öko-Bauer sei er nicht, wirtschafte aber möglichst ausgewogen und verzichtet auf Gifte, wo es geht. Böden bedeuten für ihn schon von Berufs wegen das größte Kapital. „Ich mache mir doch nicht die Lebensgrundlage meiner eigenen Familie kaputt.“ Und als Christ sieht er sich ganz klar in der Verantwortung, das Gottesgeschenk Boden zu bewahren – und eben nicht nur auf seinem eigenen Land. „Wir haben in unserer Gegend Großpächter, die bauen seit acht Jahren Mais an. Dabei ist es erwiesen, dass sich der Humusgehalt schon nach kurzer Zeit so verringert hat, dass es ewig dauert, um das auszugleichen. Nach der Pachtzeit sind die Böden so ausgelaugt, dass gar nichts mehr geht.“

Heidrun Meier aus Wusterhusen/ Lubmin wird nach dem Plenum klar: „Wir müssen uns eigentlich noch viel bewusster darüber werden, welche Bedeutung unsere Entscheidungen haben.“

Dialog sei auch hier wieder wichtig, so der Konsens. Das Abwägen, welche Lösung im Zusammenspiel von drei Aspekten die beste sei: dem ökonomischen, dem ökologischen und dem sozialen Aspekt. „Man kann den Pächter ja auch mal einladen und erzählen lassen, was er so vor hat. Ein Brief reicht da nicht aus“, rät Panknin. Deutlich wurde aber, dass die Kirchengemeinden ihre Selbstbestimmung behalten wollen. „Es ist gut, dass wir hier mal miteinander sprechen“, ist draußen vor der Tür zu hören. „Da merken die Kirchengemeinderäte, dass sie sehr wohl Möglichkeiten haben, die Entwicklung zu beeinflussen.“